Samstag, 21. Dezember 2013: Wie ich im Wadi Bani Khalid einen interessanten irakischen Backpacker traf und nachts bei einer Beduinenfamilie in der Wahiba-Wüste landete…

In diesen Breitengraden, wo es vor 10 Uhr am kühlsten ist, da würde ich diese Zeit auch für notwendige Arbeiten nutzen. ABER NICHT UM 7 UHR MIT EINEM PRESSLUFTHAMMER!  Beschwerden helfen nichts, aber extrem gezippte Ohropaxe in meinen Ohren. Zumindest ein wenig. Gerade heute wollte ich etwas länger schlafen. Zudem fehlt mir auch der rechte Antrieb aufzustehen. Ich habe vor Fernreisen NIE einen festen Plan, was ich im Reiseland machen oder sehen will. Maximal weiß ich grob über ein paar interessante Landstriche, Sehenswürdigkeiten, Flüsse oder mögliche kleine Miniabenteuer Bescheid. Konkret war das für den Oman eigentlich nur der Wadi Bani Khalid, an dessen Ausgang eine Oase mit immer vorhandenem Wasser und ein paar Naturpools liegt und der Tiermarkt in Nizwa. Also heute auf in diese Oase! Dachte ich mir und checkte langsam und behäbig aus dem kleinen Presslufthammer-Motel in Ibra aus. Da ich zum Frühstück nicht schon wieder Indisch essen wollte, suche ich mir einen WüstenKonsum und kaufe mir eine leckere Mango, zwei Bananen, ein paar Cookies und einen Liter Milch. Irgendwie ist der Oman genau wie ich voll auf dem Mango-Trip: Man bekommt hier eher Mango- als Orangensaft. Langsam droht aber der Mango-Overkill.

Bis zum Wadi sind es knapp 85 km. Irgendwo in der Einöde steht eine Tankstelle, zwei Coffee-Shops, zwei ATM, ein Schneider- und ein Barbierladen. Im Coffee-Shop lasse ich mir einen großen Pappbecher voll Kaffee brauen, denn ich bin immer noch müde. Wie überall im Lande scheinen Asiaten die ganze Arbeit zu erledigen. Meist Inder, Pakistani und sehr viele Leute aus Bangladesch. Hier hat sogar der einfache Wadi-Berg-Bewohner einen eigenen asiatischen Kuli für die schwere Arbeit. Ich denke das Land würde zusammenbrechen, wenn die Asiaten mal einen Aufstand für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen machen würden. Von der Wertschätzung der Einheimischen ganz abgesehen. Ich habe oft erlebt, wie sie z.B. im Hotelgewerbe asiatische Arbeitnehmer zusammengefaltet wurden, obwohl sie die Arbeit meist besser beherrschten, als ihre omanischen Chefs, die vermutlich wie in Abu Dhabi oder Dubai manchmal nur für wenige Stunden anwesend sind. In dieser Einöde hier, vor dem Coffee-Shop meinen schwarzen Sud schlürfend, sehe ich gerade einen Omani in einem älteren Lexus vorfahren. Er steigt nicht etwa aus, wie die zwei Omanis vorhin. Nein, er hupt laut, bis die indische Bedienung zu ihm herauskommt und er seine Bestellung aufgibt. Leute gibt’s hier…

Ich steige in meinen koreanischen Straßenkreuzer ein und fahre nonstop die restlichen 600, nein 60 km durch. Um in das Wadi Bani Khalid zu kommen, muss man erst ein Stück in die Berge. Gottseidank gibt es hier eine Asphaltstraße, also keine Gefahr für mein Gefährt. Ich fahre bis zum Parkplatz vor dem Wadi. Einen richtigen Zugang gibt es nicht, man läuft am besten auf den Einfassungen eines Wasserkanals, der vom Wadi zum Dorf führt oder daneben. Heute ist auch noch Wochenende, also Einiges los. Arabische Familien und asiatische Gastarbeiter sind zahlreich vertreten, vereinzelt auch ein paar westliche Touristen. Alles in allem etwa so 60-70 Besucher. Im größten Naturpool gleich am Eingang hat man auf zwei Felsblöcken Unterstände gebaut, links gibt es ein kleines Restaurant. 

Das hier ist also schon ziemlich touristisch. Ich gehe auf die linke Seite, klettere einen Felsen herunter und lege meinen Fotoapparat in eine Felsspalte, gehe koscher mit Badehose und T-Shirt eine Runde im grünlichen Wasser mit Unmengen von kleinen Fischen zusammen schwimmen. Das Wasser ist sehr warm, ich hätte mit mehr Erfrischung gerechnet. Eine Brücke aus Eisen zwischen beiden Seiten des Pools bzw. Kanals muss einer der letzten Regenzeiten zum Opfer gefallen sein, wenn das Wasser brachial aus den Bergen den Wadi herunter donnert. Sie liegt wie von Riesenhand gefaltet an einer Seite des Kanals. Ich möchte in den Wadi ein Stück hinein wandern. Also zurück zum Auto, ein paar Sachen holen. Ich gehe dieses Mal rechts durch die Palmenhaine direkt auf einem dort verlaufenden anderen Bewässerungskanal, der an einigen einfachen Steinhäusern vorbeiführt. Ab und an ist der Kanal auf einer Seite unterbrochen, mit einem Stein verstopft. Damit werden dann vermutlich die überall herumstehenden Palmen gewässert.

In Höhe des Parkplatzes suche ich mir einen Weg durch die Palmen. Im Auto sitzend trinke ich einen Orangensaft auf Ex. Plötzlich tauchen drei kleine etwas verwahrloste Jungs vor der offenen Fahrertür auf und sagen Hallo. Keine Forderung. Sie sehen aber meinen kleinen geöffneten Kühlschrank (Handschuhfach) und die Getränke da drin. Ok, dann bekommen sie eben die „gesunde“ Segnung des Westens ab – meine einzige Pepsi. Hoffentlich vergiften sie sich nicht daran. ;) Der Größere von ihnen schnappt sich die Büchse, ich mache aber noch klar, dass sie sich die Ami-Limonade teilen sollen. Das machen sie auch gleich: es werden zwei gebrauchte Flaschen aus dem herumliegenden Abfall gegriffen und brüderlich umgefüllt. 

Die drei gehören zu den Müllsammlern, die die Oase um die besuchten Pools sauber halten sollen. Sie fahren mit kleinen Schubkarren durch die Gegend, in die sie dann den in Plastiktüten gesammelten Müll der Besucher ablegen und ins Dorf karren. Vermutlich eine gute Idee, ich hoffe nur es lohnt sich und sie müssen nicht den ganzen Tag schuften, können die Schule besuchen. Einige benutzen die Schubkarren auch als Pausen“sessel“. Zwei alte kleine Männer sah ich vorhin mit ihnen losziehen. Dem Kleinsten der drei Jungs vor mir läuft pausenlos die Nase. Ich spendiere ein Tempo-Taschentuch. Die Drei ziehen weiter, schauen neugierig in andere geparkte und verschlossene Autos hinein. Ein größerer arabischer Junge verjagt sie laut schreiend. Zu mir sagt er, das wäre „crazy boys“. Fand ich jetzt nicht.

Ich breche wieder auf in den Wadi. Die Sonne brennt jetzt so richtig schön heiß. Die oberen Naturpools sind zwar kleiner, aber mit einem Miniwasserfall in der Nähe auch schöner. Nur so besonders weit schwimmen kann man in ihnen nicht. Irgendwo weiter hinten soll es eine Höhle geben. Die Felswände links und rechts werden immer höher, die Besucher dafür immer weniger. Da fällt mir unterhalb meines Felsens ein verwegener Typ auf: er sieht aus wie eine Mischung aus Backpacker und „Mudschahedin“, auf jeden Fall sehr arabisch und er hat Ausstrahlung. Da ich meine Kamera in meinen Händen halte, dreht er sich um und sagt laut: „No photos!“ das hatte ich auch nicht unbedingt vor.

Nach einiger Zeit hole ich ihn ein, frage ob ich ihm behilflich sein kann, seinen Rucksack über den Bach zu wuchten, da er Schuhe trägt und ich Sandalen an habe. Nachdem wir das zusammen bewerkstelligt haben, stellen wir fest, dass wir auf einer Insel hocken. Wir stellen uns vor. Er ist wie ich aus Deutschland, kommt aber aus dem Irak und ist Kurde. Zudem ist er auch noch Künstler und schon einen Monat hier im Oman unterwegs. Wie mir gefällt ihm das Land ausnehmend gut, er ist allerdings auf öffentliche Verkehrsmittel oder Trampen angewiesen. Dafür kann er arabisch. Heute will er weiter hinten im Wadi übernachten. Ich finde ihn sehr sympathisch und unser mindestens eine Stunde währendes Gespräch hinten vor der kleinen unbeschilderten Höhle ist sehr erbaulich. Wir diskutieren über alles Mögliche, also Politik, Religion, Deutschland, Kunst und über das Menschsein und was es eigentlich ausmachen sollte. Schamal (sein Künstlername) wäre sicher eine richtig gute und angenehme Reisebegleitung für ein Stück des Weges durch den Oman für mich gewesen. Ich hätte ihn auch mitgenommen, aber er wollte hier im Wadi bleiben und ich abends die Wahiba-Wüste erreichen, um dort in einem Camp zu übernachten. Da er kaum noch omanisches Bargeld hat, gebe ich ihm meine letzten 25 OMR und er mir die entsprechenden Euros dafür. Ich komme ja sehr viel einfacher an einen ATM mit dem Auto heran, als er. Schamal ist die Sorte Mensch, die ich auf meinen Reisen gern kennenlernen möchte. Wir verabschieden uns und jeder zieht in eine andere Richtung des Wadis davon.

Nun wird es aber Zeit für mich, „ab in die Wüste“ zu fahren, wie es der Titel meines Blogs verheißt. Allerdings ist der ganze Oman eine Wüste, entweder aus Stein oder Sand. ;) Unterbrochen wird er von den Oasen, also den Städten und Dörfern. Eigentlich wollte ich in der Höhe von Al Qabil mir ein Wüsten-Camp suchen, das hieße aber wieder Richtung Ibra zurück zu fahren. Ich versuche es vorher in Al Mintirib. Da soll es 20 km auf einer Piste in die Wüste gehen und zwei Camps geben. Die kleine Stadt begrüßt mich mit geschäftigen Treiben vor und in den mit Neonreklame beleuchteten kleinen Geschäften, die meist Asiaten betreiben. Nach der Beschreibung des Reiseführers soll es ein wehrhaftes Steinhaus eines hier in der Gegend einflussreichen Scheichs geben und dahinter kommt ein kleines Fort. Dann links daran vorbei und irgendwo wenig später auf die Piste. All das finde ich nicht. Ich verfahre mich in der Dunkelheit, treffe auf keine hilfreichen Schilder und wenn sind die nur in Arabisch. Meine NaviApp befragen bringt in solchen Gegenden gleich garnichts, da schweigt es vornehm. Plötzlich stehen drei arabische Jungs vor meinem Auto, wollen, dass ich die Scheibe herunterkurbele. Mache ich nicht, sitze gerade über der Landkarte und dem Navi und habe keine Lust auf 0815-Konversation. Da reißt einer der Jungs, ein dicker arabischer Klops meine Tür auf und erzählt mir im aggressiven Unterton was vom Kamel.

Das kann ich auch. Ich werde etwas laut und fahre sie polternd auf Deutsch an. Dann mache ich noch zwei Ausfallschritte auf sie zu und sie rennen. Klappt fast immer, altes Rezept aus Reisezeiten in Mali. Meinem Ziel bin ich aber immer noch nicht näher. Ich cruise weiter durch den Ort, komme in ein anderes Dorf, lande in einer Sackgasse. Hinter mir stoppt ein Pickup. Ein Einheimischer fragt, ob ich was zum Schlafen suche. Er könne mir das bieten, nur 5 km von hier, bei sich zuhause. Er hat ein Camp. Ok, so etwas suche ich. Ich folge ihm. Wir fahren in die Wüste raus, biegen dann von der Schotterpiste ab in den Sand. Über 5 m Sand schaffe ich es noch, dann bleibt der Pickup dort auf einem festen Sandstück stehen, der Beduine steigt aus und sagt, ich solle in seinem Pickup umsteigen und mir die Unterkunft ansehen. Ok, ich weiß, das der Oman ein sehr sicheres Land ist, ich habe zur Not Pfefferspray und ein Walter-Messer dabei. Aber das ist sicher alles nicht notwendig. ;) In den Pickup kann ich leider nicht einsteigen, da sitzt des Beduinen Frau und Kind. Also hinten drauf auf die Ladefläche. Im Stehen am Dach mich festhaltend geht es mit viel Schwung die Düne hinauf (Film-reif), dann noch ein wenig weiter und wir bleiben vor dem Gehöft der Familie stehen. Hier gibt es sogar Strom, ein paar Hütten mit Palmenblättern verkleidet und abgedeckt, eine offene Küche, zwei Steinhäuser und eine kleine gemauerte Moschee. Der Beduine heißt Wasur, seine Frau Ningieh (wenn ich das richtig wiedergebe). Sie haben sieben Kinder – vier Jungen und drei Mädchen.

Schlafen soll ich in einem wohl für Gäste wie mich gemachten Unterstand, der etwa 10 x 4 Meter groß ist, ein Holzskelett besitzt und nach drei Seiten und von oben mit Palmenblättern verkleidet ist. Ausgelegt ist alles mit Teppichen, an den Wänden die typischen Kissen für den Rücken, wenn man auf dem Boden sitzt. Eine Seite ist offen, zumindest ein Drittel davon. Es stehen auch noch zwei alte Couches herum. Hier soll ich also schlafen. Ich nehme dann doch lieber meine bewährte Decke und meine Luftmatratze. Dazu fährt mich der größte Sohn sehr geschickt die Düne herunter zu meinem Auto und zurück. Ich lobe seine Fahrkünste. Wieder im Lager bekomme ich arabischen Kaffee und Datteln von Ningieh, der Frau des Hauses, äh der Zelte, des Gehöftes. Es ist schon dunkel. Wasur zündet vor meiner Unterkunft ein Feuer an, wir setzen uns in den Sand und versuchen uns in Konversation, was in Englisch halbwegs geht und trinken arabischen Kaffee und Tee. Jetzt kommen auch die restlichen Kinder, die der Vater mit dem Pickup aus Al Mintirib geholt hat.

Aiche (18) ist die Älteste, will Sprachen studieren und in die Tourismusbranche gehen. Verheiratet ist sie auch schon, sonst gibt es keinen Mann, also einen Freund haben wie bei uns ist nicht. Klar, wir sind hier in einem muslimischen Land, das dennoch fortschrittlich ist. Ihr Freund arbeitet in den Emiraten. Fatma, die Kleinste, vielleicht 3 Jahre ist total süß und ein ziemlicher Draufgänger (ärgert immer ihre Brüder). Der Name der dritten Tochter ist mir entfallen. Die Jungs heißen Mansur, Abdul, Sale und Mohamed. Sale ist der Kleinste, der größte ist vielleicht so 14 Jahre alt. Der Vater und zwei Kinder husten öfters. Wasur sagt, das wäre der Sand. Sale, der Kleinste, ärgert ebenfalls seine großen Brüder gerne, sie schmeißen ihn dann dafür auch öfters spielerisch in den Sand.


Mein Abendessen besteht aus: Fladenbrot aus dem Wüstenkonsum, 2 Eiern, Datteln, Joghurt und Tee. Ich schätze das alles wird wieder eine durchschlagende Wirkung haben. Gegen 10 Uhr ist Bettruhe, die Familie verschwindet in den verschiedenen Hütten. Man hört noch eine Zeitlang die Kinder reden, singen oder kichern. Ich höre danach eine ganze Zeitlang Mücken um mich herum sirren und frohlocken. Gegen Mitternacht wird mir das zu viel. Ich brauche mein NoBite-Mückenspray! Ich will die Familie nicht wecken, verlasse das Lager. Das Auto kann ja nicht so weit weg stehen. Die ungefähre Richtung denke ich zu wissen, laufe aber prompt in die Falsche davon. Nach einiger Zeit wird mir klar, dass ich mich verlaufen werde, ein Sandsturm mich begraben wird und die Beduinen sich Löffel aus meinen Gebeinen schnitzen werden, wenn sie mich Jahre später finden. J Ich kehre um, das Lager finde ich bestimmt wieder. Kurz davor probiere ich noch eine Wagenspur im Schein meiner Taschenlampe nach rechts aus – und finde weiter unten mein Auto! Schnell schnappe ich mir noch eine Literflasche Wasser und wanke diese halb austrinkend durch den tiefen Sand zurück ins Lager. Ich sprühe mich extrem großzügig mit dem Deet-haltigen Spray ein. Das Zeug stammt aus dem Vietnamkrieg und hat auch die aggressivsten Mücken in Westafrika vertrieben. Es übernimmt diesen Job auch hier zuverlässig und ich schlafe quasi unter freiem Himmel und in einer sternenklaren Nacht stichfrei ein. 
































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