Dem gierigen Inder habe ich nach seinem recht akzeptablen
Frühstück noch einmal mit Nachdruck vermittelt, das seine Bruchbude keine 60
Eur für eine Übernachtung wert ist. Mir war klar, dass dies sein ins Gesicht gemeißeltes
Grinsen nicht vertreiben wird. Wenn ich wieder komme, dann wird auf der anderen
Straßenseite ein 3*-Hotel eröffnet, da kann ich ja dann einchecken. Sagt er. Ich
unterstütze ja gern notleidende Hotelwirte, die sich bemühen. Aber der hier hat
mich einfach nur dreist belogen, das Hotel ist schlicht und einfach leer und
ich musste ein Doppelzimmer bezahlen, also 20 Eur mehr. Ach was reg ich mich
auf, ich habe gestern eine Bewertung im TripAdvisor über diesen Schuppen hier geschrieben
;)
Ich steige ins Auto und fahre über den Berg ins
eigentliche Rustaq. Gerade kommt auf meiner MP3-CD „Savanne“ von Ali Farka
Toure, dem leider schon verstorbenen Großmeister des Mali-Blues. Ich finde das
passt auch in den Oman, ich drehe laut auf und habe beste Entdeckerlaune. Ich
finde auch gleich das Fort von Rustaq. Die haben die Hauptpforte noch nicht
geöffnet, nur eine Art Touristenklappe im schweren Tor. Von drinnen begrüßen
mich drei Herren im omanischen Gewand. Ich reiche meinen Fotorucksack durch die
Klappe, zwänge mich dann auch durch, während zwei Männer versuchen das schwere
Portal zu öffnen.
Die Festung ist recht groß und liegt mitten im Ort.
Eintritt musste ich nicht bezahlen, der liegt sowieso meist nur bei einem
halben Rial (ca. 90 Cent). Ich klettere alle sichtbaren Treppen hoch und
runter, nicht ohne mir den Kopf wenigstens zweimal zu stoßen. Die Aussicht von
oben ist grandios, besonders auf einen Dattelpalmenhain und die nahen Berge.
Ich bin wieder allein, bis ein indisches Pärchen des Weges kommt und sich
ständig fotografiert. Zaghaft fragen sie, ob ich das übernehmen könnte. Ich
knipse sie dann auch gleich zehn Mal, bis ich zufrieden mit dem Ergebnis bin.
Die beiden freut es und mich auch. Jetzt suche ich noch das zweite Highlight
von Rustaq – die heißen Quellen. Am Rande des Eingangs zu einem Wadi, direkt
vor einer Moschee werde ich fündig. Aus etwa 5 Meter Tiefe steigt glasklares
sehr heißes Wasser auf. Es brodelt nicht, aber es ist zum Baden für meine
Verhältnisse zu heiß. Über einen Kanal werden gleich nebenan mehrere
Freiluftkabinen mit dem Wasser versorgt. Natürlich streng getrennt nach Frauen
und Männern.
Die werden sich die Haut versengen. Die Männer werden
unfruchtbar! ;) Hinter den Kabinen kommt das Wasser in einem Kanal hervor.
Überall hängen Schilder, dass man hier keinesfalls sein Auto waschen soll. Ich
fahre jetzt wieder 12 km zurück, weil ich gestern schon den Wadi Bani Awf
befahren wollte. Das funktioniert auch ganz gut. Grandiose Felswände türmen
sich wieder links und rechts auf. Ich halte immer wieder und fotografiere oder
Filme meine Durchfahrt, indem ich den Camcorder auf dem Armaturenbrett mit
Panzertape befestige und arabische Musik vom Radio als Soundtrack dazu laufen
lasse. Nach ca. 7 km ist die sehr gut ausgebaute Straße zu Ende. Ich versuche
es trotzdem weiter, schaffe auch noch eine bewässerte Furt aber dann kommen
größere Geröllbrocken, die meinem KIA-Straßenkreuzer (wirklich sehr gutes Auto,
man merkt den Einfluss der Audi-Leute, die zu KIA gewechselt haben) nicht gut
tun würden. Ich versuche mit einer 9-Phasen-Wendung umzudrehen, was nicht
wirklich so leicht ist, ohne an diversen Geröllhaufen das Auto zu gravieren.
Ich bedauere immer mehr, keinen Geländewagen gemietet zu haben. Das wäre zu
zweit sicher erschwinglicher gewesen. Aber leider konnte niemand mit, auch
nicht die Person, von der ich es mir gewünscht hätte. Aber sie bekam eben
keinen Urlaub.
Ich kehre also um und nehme Kurs auf das 25 km östlich
von Rustaq gelegene Al-Hazm, wo die omanische Vorzeigefestung schlechthin
steht. Ich werde von drei Omanis freudig per Handschlag begrüßt, was wohl
der Ermangelung an Besuchern geschuldet
ist. Die Festung ist wunderbar renoviert und eigentlich ein Labyrinth, welches
es den Erbauern ermöglichte, im Eroberungsfall durch zahlreiche Geheimgänge
(angeblich sogar bis Rustaq) zu verschwinden. Aber so weit kam es selten, denn
über die zwei raffiniert gesetztenKanonentürme konnte das ganze Umfeld
beschossen werden, sogar unterhalb aller vier Mauern, im toten Winkel. Weitere
ausgeklügelte Verteidigungsanlagen, geheime Verließe, Vorratsspeicher und
Zisternen, sowie ein eigener Miniflusslauf direkt unter der Festung sprechen
für den Einfallsreichtum der Erbauer. Einen dieser stockdunklen Geheimgänge bin
ich mit meiner Taschenlampe gebückt entlang gegangen. Das war ein wenig spooky,
also wenn ich die Lampe mal ausgemacht hatte und dem Plätschern und Gurgeln des
unterirdischen Versorgungswasserlaufes lauschte. Die ganze Festung hat
tatsächlich etwas von einem Labyrinth.
Der Spruch „Come in, find out!“ eines Gerücheladens würde
hier viel besser zutreffen. Ich finde den Ausgang. Draußen werde ich von
Raschid, einen der drei Omanis, die jetzt auf einer Mauer sitzen, zum Kaffee
eingeladen. Da nehme ich doch dankend an. Ich hätte auch nichts gegen die
schwarzen Dadeln gehabt, aber der Schwarm Fliegen, der sich nach Abnahme der
Abdeckung der Schüssel in alle Winde zerstäubte, ließ mich dann doch dankend
ablehnen.
Mit Raschid habe ich dann im Rahmen unserer beider
Englischkenntnisse versucht, über Gott und die Welt zu reden. Das bezog sich
auf 3 Päpste, den wunderschönen Oman, die sogenannten arabischen
Frühlingsrevolutionen, die Religionen und dem verblichenen Bin Laden. Dann
lehrte er mich noch ein wenig den arabische Knigge: die Kaffeeschale gibt man
immer von Hand zu Hand, auch nach dem Austrinken. Sie einfach abzustellen
bedeutet, es hat nicht geschmeckt. Wenn man sie in die Hand des Gastgebers
zurückgibt, dann möchte man noch einen Kaffee. Wenn man keinen mehr mag, dann
wackelt man mit der Schale, bevor man sie zurückgibt. Ok, verstanden. Ich
wackele nicht, ich nehme noch einen, der ist so schön stark und bin vorhin
wieder eingeschlafen. Kopfschmerzen habe
ich jetzt keine mehr, das lag wohl gestern am Fehlen einer Kopfbedeckung. Ich
bedanke mich bei Raschid, verabschiede mich. Genauso habe ich sie mir
vorgestellt, die viel gepriesene arabische Gastfreundschaft. Ich bin scharf auf
mehr von solchen Begegnungen.
Im Auto überlege ich, wohin ich jetzt fahren könnte. Nach
dem Reiseführer-Check einiger Küstenorte im Nordosten von Oman, beschließe ich
wieder in den inneren Oman zu fahren, Richtung Ibri. Also wieder die 25 km
zurück nach Rustaq und am mir mittlerweile sehr gut bekannten Kreisverkehr
rechts ab. Noch eine Stunde, dann ist es wieder dunkel. Ich habe die Wahl –
Zelt oder Hotel? Auf der Strecke liegt kein dem Reiseführer bekanntes Hotel,
erst in Ibri. Mal schauen, ob noch eines vorher kommt. Gleichzeitig fahre ich
aber diverse Feldwege testweise ab, um einen geeigneten ruhigen und
abgeschiedenen Platz für das Zelt zu finden. Immer Fehlanzeige. Entweder gibt
es zu viel Geröll, der Platz ist zu dicht an der Straße oder an einem Dorf.
Einmal fuhr ich einen Hang hinunter an einen fast trockenen Wadi. Traumhafte
Kulisse mit dem Mond über einem Koloss von Berg stehend, dem Wadi, dem nahen
Palmenhain. Aber es standen auch 3 Autos herum und niemand war zu sehen.
Auch
wenn die Wahrscheinlichkeit ziemlich gering ist, dass gerade diese Nacht eine
Flutwelle den Wadi hinab rauscht – alles zusammen erfüllt nicht meine
Undercover-Zeltaufschlag-Kriterien. Nach dem 5. Versuch will ich in einem
kleinen Hotel einchecken, was gleichzeitig auch ein einfaches Straßenrestaurant
ist. Dort sagt man mir, dass es voll und sicher auch nichts für Europäer wäre.
Gegenüber, etwa 1 km die Straße weiter, wäre noch eines. Der Haken – ich komme
nicht rüber, weil die Straße durch Leitplanken getrennt ist. Ich soll 10 km
weiter bis zum Kreisverkehr fahren. Ganz so weit komme ich jedoch nicht, denn
eine Polizeikontrolle stoppt mich vorher. Ich hatte sie überhaupt nicht
gesehen, war auch ziemlich rasant den Highway entlang gerauscht. Aber sie
wollten nur meine Papiere sehen und mit einem Jalla! und einem arabischen
Tschüss durfte ich weiterfahren. Heute und gestern hatte ich schon schwer
bewaffnete Militärposten passiert. Die hatten mich aber immer nur
durchgewunken. Der sehr große angekündigte Kreisverkehr hat noch keinerlei
Hinweisschilder, außer das von STRABAG, die hier wohl bauen. Ich fahre links
ab, dort fängt eine planierte Piste an, die wohl demnächst betoniert werden
soll. Die fahre ich so knapp 2 km lang, sehe dann rechts einen Durchlass auf
eine Ebene mit leichten Geröll und kleineren Büschen und Minibäumchen.
Da fahre ich etwa 250 m ins Gelände rein, der Mond
scheint wieder hell über die Landschaft, ich kann mein Zelt ohne Taschenlampe
aufbauen. Heringe bekomme ich wieder nicht in den Boden. Es weht ein leichter
Wind, das leere Zelt droht davonzufliegen, ich beschwere es schnell mit
Matratze und Fotorucksack, verklebe die Enden der Glasfiberstäbe mit den Ösen
und setze mich auf die Rückbank des Autos, um diesen Bericht zu schreiben. Danach
laufe ich mit einer offenen Büchse Thunfisch und einem alkoholfreien Bier durch
das Gelände, setze mich auf einen Stein und betrachte die Silhouette der sehr
nahen Berge. Das ist doch etwas ganz Anderes, als in einem Hotel zu hocken. Der
Mond, eine sternklare Nacht und Ruhe – wunderbar. Relative Ruhe, denn aus der
Ferne, aus den gegenüberliegenden Bergen kommen leise Geräusche, vermutlich
wird da eine der vielen neuen Straßen durch die Wadis gebaut, um auch noch den
letzten versteckten Weiler, das letzte abgelegene Dorf an die omanische Neuzeit
anzuschließen. Ich schaue mir jetzt Lawrence von Arabien an, ich hoffe die
Netbookbatterien halten so lange, denn der Film geht meines Wissens knapp drei
Stunden. Falls nicht – Fortsetzung dann morgen Abend. N8.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen