Donnerstag, 19. Dezember 2013: Eiskaltes Wecken, der atemlos machende Canyon und Ankunft in Nizwa…

Gegen 5 Uhr wache ich auf. Nicht wegen der Geräusche, die das Dünnhautzelt die ganze Nacht im leichten Wind verursacht, sondern wegen der Kälte. Ein Thermoshirt, zwei Hosen, Strümpfe und eine Decke ersetzen eben keinen guten Schlafsack hier oben. Mehr als 8 Grad sind das sicher nicht. Gegen sechs Uhr ziehe ich in das Auto um und werfe den Motor und die Heizung an. Schön warm, aber im Sitzen weiterschlafen ist auch nicht so bequem. Es wird hell um die Berggipfel, aber die Sonne lässt sich noch nicht blicken. Ich steige aus, jage die ersten Sonnenstrahlen über den Berghängen mit der Kamera. Zu spät positioniere ich den Camcorder auf dem Autodach, der Zeitrafferaufnahmen vom Sonnenaufgang über dem Jebel Misht Massiv machen soll. Ich knipse rund um meine kleine Zeltfestung fast jeden Stein, bin dabei sicher auch gut von der Passstraße und von der Piste tief hinunter in das kleine Nest Misfat al Khawater zu sehen. 

Irgendwann kommt ein Omani „meinen“ Hügel hoch und stellt sich als Salmar vor, der mich gern zum Jebel Shams, dem 3000 m hohem Berg mit Blick auf Omans einzigartigen „Grand Canyon“ bringen will. Ich weiß zwar, dass die asphaltierte Passstraße in ca. 2 km endet, aber was wird das hier? Ein schnelles Hin- und Zurückfahren mit integriertem Abhak-Knipsen? Sehen würde ich den „Grand Canyon“ schon sehr gern. Mein Mietauto dabei nicht zu schrotten, wäre auch keine schlechte Idee.

Er bietet mir für 20 OMR die Hin & Rückfahrt mit seinem uralten Nissan Patrol an. Ich habe keine Ahnung, was so etwas kosten darf, aber knapp 40 EUR sind ein bisschen viel für schätzungsweise insgesamt max. 20 km. Er geht runter auf 15 OMR. Ok, bevor ich den Canyon gar nicht sehe… Ich fahre vor, bis die asphaltierte Strecke aufhört, parke da meine KIA-Limo neben 2 anderen PKW und steige in den Patrol zu Salmar um. Schnell noch die Schuhe wechseln und eine Flasche Wasser mitnehmen. Der Patrol ist vorn eng wie eine Konservenbüchse. Das liegt wohl daran, dass der Sitz nicht mehr verstellbar ist. Die beiden Schalthebel sind mit Ziegenfell verkleidet. In so einem alten Nissan saß ich zuletzt 2005, auf der recht abenteuerlichen Rückfahrt von Timbuktu nach Mopti (Mali). 

Die Piste ist zunächst fast eben, dann kommen kurze Abschnitte, wo ein 4WD die bessere Wahl wäre, mein KIA das aber auch irgendwie geschafft hätte. Ab dem Abzweig, der zur Militär-Radar-Basis führt, ist plötzlich wieder beste Asphaltstraße. Ein bisschen komme ich mir veralbert vor, aber letztendlich ist es ok und auch schnell vergessen, als ich gegen 08:15 Uhr am Abgrund zum Canyon stehe. Wow. Luftschnappen. Das haut mich fast um. Der Blick in die Tiefe. Das geht sicher mehrere hundert Meter herunter. Zumindest an einer Stelle verhindert eine kleine Drahtabsperrung das zu nahe Herantreten an den Abgrund. Ich mache ein paar Fotos, obwohl die Sonne gerade voll auf den Canyon knallt. Kein gutes Fotolicht. Tief unten sieht man ein kleines Dorf, fast völlig verloren. Ich kann es durch mein Objektiv heranzoomen. Salmar sagt ein wenig schadenfroh, die haben nur eine Stunde Shams am Tag, also vermutlich Sonne. Salmars Englisch beschränkt sich nur auf ca. 20 Wörter, die er braucht, um klarzumachen, welche Dienstleistung er anbietet.

Wir fahren noch ein Stück weiter, ein sanft ansteigendes Steinplateau hoch. 10 Meter vor der Kante stoppt Salmar den Nissan. Hier gibt es keinerlei Absperrung. Ab der Felskante geht es ohne Umwege mindestens 800 Meter in die Tiefe. Ich berausche mich am Anblick dieses gigantischen Felsloches und entferne mich mit schnellem Schritt von Salmer. Ich will das in Ruhe und ohne Druck genießen. Er setzt sich derweil an die Felskante. Es sieht von weitem so aus, als ob er betet. Ich knipse, schaue, knipse und packe den Fotoapparat weg, setze mich auf einen Felsblock dicht vor dem Abgrund und bin immer noch überwältigt. Hier oben hätte ich gern übernachtet. Hinter mir ist eine Art Lodge, wo man das hätte tun können, auch im Zelt. Aber im Dunkeln hätte ich keine Chance mit dem KIA gehabt, im Hellen schon eher. Abgründe gibt es auch auf der Herfahrt einige. Da sollte man nachts die Piste schon sehr genau kennen.

Wir fahren wieder zurück. Salmer weist mich mindestens zum 10. Mal auf den Radar-Armeeposten rechts oben auf dem Berg hin. Mich interessiert das jetzt so ziemlich überhaupt nicht, keine Ahnung, warum er das so oft sagt. Nachdem er sein Geld bekommen hat, fährt er sofort wieder los, um PKW-fahrenden Ausländern wie mir seine 4WD-Dienste anzubieten. Ich rolle ins Tal herunter, habe jetzt ziemlichen Hunger. In Al-Hamra hatte ich gestern einen CoffeeShop gesehen. Den steuere ich an. Hier gibt es zwar Nescafe in Pappbechern, aber natürlich kein europäisches Frühstück. Dafür indisches. Die Karte kann ich nicht lesen, weil es keine gibt. Und wenn es eine gegeben hätte, wäre die in Arabisch gewesen. Bei irgendeinem Gericht, das Masala im Namen trägt, nicke ich mit dem Kopf. Rechts sitzen zwei junge Omanis und lassen es sich schmecken, am anderen Tisch zwei ältere Einheimische und zwei Inder. Und am dritten Tisch der schwarz gewandete Ausländer. Das Essen sieht lecker aus: Eine Paste mit Shrimps und vermutlich Kartoffeln, frische hauchdünne Fladen und Gemüse. Dazu bekomme ich eine kleine Flasche Mineralwasser und meinen Nescafe. Ich esse alles brav auf, weil es sehr gut schmeckt und ich verdammt hungrig bin.

Wohin heute mit mir und dem Auto? Ich lese etwas von einer Grotte in der Nähe, der Al-Hoota Cave. Als ich dort ankomme, ist gerade Mittagspause, die Tore sind geschlossen. Ok, dann fahre ich hoch zum Aussichtspunkt Sharaf al Alamayn. Dort soll man auf 2000 m Höhe einen spektakulären Blick auf die nördlichen Wadis der Gegend haben. Ich schlafe aber direkt oben angekommen ein. Direkt nach diesem Aussichtspunkt endet die gut ausgebaute Straße wieder und wird zur abenteuerlichen Piste, die sich tief ins Tal windet. Fährt man sie weiter, kommt man über den Wadi Bani Awf in der Nähe von Rustaq heraus.

Das habe ich von der anderen Seite schon probiert und bin mit dem Auto gescheitert. Auch soll man auf dieser Strecke schwindelfrei sein. Klingt abenteuerlich verlockend. Ich drehe wieder um und fahre nach Nizwa. Wenigstens einmal ein Hotel zur frühstmöglichsten Zeit beziehen. Dachte ich mir, denn ich finde es nicht. Unter Mithilfe des Reiseführers, der NaviApp (die beide nichts Genaues wissen) und einer Menge an Intuition checke ich, dass mein Hotel ca. 14 km außerhalb von Nizwa in Richtung Mannah liegt. Bevor ich da raus fahre, durchkämme ich noch das Fort von Nizwa. Im Grunde gleichen sich die Forts in Ausstattung und Funktionalität. Die schönsten Forts bisher waren gestern das in Jabrin und das in Al-Hazm, dicht gefolgt von dem in Rustaq. Da ich aber selbst gern eine Einfamilienburg besitzen würde, langweilen mich die Festungserkundungen nicht. 

Ich surfe noch ein wenig durch Nizwa, will mich mit dem Ort vertraut machen, weil ich morgen verdammt früh zum traditionellen Viehmarkt nach Nizwa möchte. Weniger wegen den Tierchen, sondern wegen spannender Gesichter, traditionellem Volk, das aus den schwer zugänglichen Berg- und Wadi-Dörfern hierher strömt um Tiere zu kaufen oder zu verkaufen. Deswegen endet der Bericht hier, denn ich brauche ein Mütze Schlaf, von der ich heute und gestern nicht allzu viel hatte. Im Unterschied zu gestern wird es geradezu himmlisch bequem und luxuriös in meiner klimatisierten Bambushütte des Noor Majan Camps. Mit dem Ausblick, den Bergen, der Mondnacht da oben kann es nicht mithalten. In keinster Weise.

                           
                                                    Kalt erwischt. Aber schön...

 Frühstück in Al-Hamra


 Salmar

 Morgens früh am Abgrund im Oman...

 Salmar, der Offroad-Omani...

 Am Schlund des Canyons...


 Im Schlund des Canyons...

 Fort Nizwa...



 Meine Bleibe...

1 Kommentar:

  1. Da gab es ja heute früh doch eine Frühstückslektüre :-) Da gestern Abend schon ein neuer Beitrag online war, dachte ich, diese allmorgendliche Lesung fällt heute aus.

    In Nizwa gibt es ein schönes, typisch omanisches Restaurant. Kennt da sicher jeder. Warst Du schon im Wadi Bani Khalid? Da kann man herrlich baden im türkisfarbenen, glasklaren Wasser, zwischen Felsformationen. Lohnt sich wirklich. Und was ist eigentlich mit der Wüste? Denn Dein Blog nennt sich ja "Ab in die Wüste" :-)

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