Sonntag, 22. Dezember 2013: Wüsten-Fotopirsch, Sandspiele und Regen…

Gegen 6 Uhr hört man die Beduinenkinder so, wie gestern Abend: leise kichernd und singend. Gegen 6:40 Uhr fährt der Pickup sie in die Schule. Früher gab es laut Wasur im ganzen Land nur EINE einzige Schule – in Muscat. Das bedeutete für Kinder ganz im Süden theoretisch einen 1000 km langen Schulweg. Heftig. Die Sonne will heute irgendwie nicht aufgehen. Ich verlasse das Gehöft/Lager und versuche mich an der nächsten etwa 20 m hohen Düne. Das ist jetzt nicht so einfach da hoch zu kommen. Vielleicht sollte ich die Sandalen ausziehen. Hat der Lawrence auch gemacht. Oben angekommen versperrt die nächste Düne den Blick auf die Wüste. Auch die erklimme ich noch. Und dann noch eine und schließlich kann ich in die Ferne schauen – ein grandioser Anblick! Leider ist gerade heute der Himmel verhangen, die Sonne steckt hinter Wolken, will nicht über der Wüste erscheinen, scheinen. Nur ein paar Strahlen dringen durch. Schade. Ich sitze im noch angenehm kalten Sand und warte und warte und warte… Es ist verdammt ruhig, aber nicht völlig lautlos. Nach einiger Zeit kreisen zwei Vögel über mir. Dabei krächzen sie sich was zu. Es sind allerdings keine Geier. Und noch sehe ich sehr lebendig aus! Den Grund sehe ich ein paar Meter weiter: ein totes Huhn. Vermutlich aus Wasurs Bestand. Seine Tiere lagern etwas außerhalb seines Gehöfts. Die Familie hat auch 7 Dromedare. Einen Ritt auf einem davon lehnte ich schon gestern ab, weil ich das für albernen Touri-Mist halte. Zudem auch noch grottenlangweilig.

Ich mache ein paar Effekt-heischende Videoaufnahmen mit FXGURU. Die Kulisse bietet sich einfach an. Erst lasse ich die drei Rentiere in der Wüste tanzen, dann den Sandriesen aus dem Sand auftauchen und dann noch eine Drohne was abwerfen und einen Hubschrauber abstürzen. Final erscheint ein Atompilz in der Ferne. J Was will man auch so lange machen, wenn die Sonne nicht zum Fotografieren heraus kommen mag? Ja richtig, in sich gehen, alles auf sich OM-artig wirken lassen, glücklich sein. Nebenbei kann ich aber trotzdem VideoClips rendern. J Irgendwann gebe ich auf, die gelbe Sau kommt nicht heraus. Ich kehre zurück und bekomme genau dasselbe zu essen wie gestern Abend. Den Kaffee heute jedoch nicht aus winzigen Schälchen, sondern einer winzigen Tasse. Wasur sitzt neben mir, seine Frau vor mir. Sie trägt so eine für den Oman typische Kopfverschleierung, die einer venezianischen Maske ähnelt. Man sieht die Augen, dann darunter wieder Stoff und dann am Mund wieder alles frei. Es gesellen sich noch die 2 großen Mädchen dazu. Infolgedessen sind nur die 3 großen Jungs in der Schule. Die kleine Fatma klebt sowieso immer an ihrer Mutter. Sele, der kleinste Junge kommt auch noch zappelig dazu. Und alle schauen sie zu, wie ich mir das Fladenbrot mit Joghurt bestreiche und in den Mund schiebe. Die Reste davon verfüttert Wasur an den Zappel-Sele.

Wasur fragt, ob ich Lust hätte, mit ihm und seinem Pickup eine Stunde lang durch die Dünen zu brettern. Natürlich nicht umsonst. Ich überlege hin und her und irgendwann sage ich einfach mal: Yes, we do it. Dann wird mir noch verschiedenes Kunsthandwerk angeboten, welches die Frauen des Hauses angefertigt haben. Ich brauche aber weder Schlüsselanhänger, Handyhüllen oder Miniteppiche und lehne dankend ab. Ich verabschiede mich von allen per Handschlag, wünsche ihnen alles Gute. Wir transportieren erst meine Sachen zu meinem Auto, das seltsamerweise noch aus dem Sand herausschaut, faktisch noch so dasteht, wie gestern Nacht verlassen. Dann lässt Wasur Luft aus seinen Reifen ab und es geht los. Erst einmal 20 m parallel zur Piste durch tiefen Sand. Vorbei an den Dromedar-Gehegen des Nachbarn. Dann erreichen wir ein richtiges Touristencamp. Es stellt sich heraus, dass es das ist, was ich letzte Nacht gesucht hatte. Wir fahren die Düne hoch, steigen aus und kehren beim Statthalter des Camps, einem sympathischen Mann um die 30 aus Bangladesch, ein. Wieder gibt es Kaffee und Datteln. Das Lager scheint komplett leer zu sein. Der Verwalter zeigt mir das Innenleben der schwarzen Zelte: meist stehen da Feldbetten mit kunterbunten Decken bestückt herum. Das erinnert mich an die Ferienlager meiner Kindheit, nur einen Tick exotischer, hier. Nach der kleinen Werbetour verabschieden wir uns und fahren weiter.

Jetzt lenkt Wasur seinen Pickup langsam hoch in die Dünen. Er ist ein verdammt geschickter Fahrer. Ich merke, dass man so etwas unbedingt erst einmal trainieren muss. Hier in der Nähe gibt es auch ein Camp, wo man das machen kann. Es macht Spaß über die Dünen zu surfen. Wenn man dann oben steht, es fast senkrecht herunter geht, denkt man: „Ach Du Ginsterkatze! Da runter?“ Wasur fragt beim ersten Mal, ob ich damit ein Problem habe. Ich sage ich hätte eins, wenn er da jetzt nicht runter fährt, was gleichzeitig bedeutet, dass ich ihm und seinen Fahrkünsten blind vertraue. Vier dieser Kamikaze-Abwärts-Fahrten sind drin, dann sind wir wieder fast unten. Wieder habe ich etwas zur Ernährung von Wasurs stattlicher Familie beigetragen, bereue die einstündige Spritztour aber keineswegs.

Zurück an meinem Auto fragt er mich, ob ich die 10 Meter bis zur Piste durch den tiefen Sand zurück schaffe. Da ich das gestern auch selbst herwärts geschafft habe, sage ich: No Problem. Kaum ist Wasur über die Düne verschwunden, bleibe ich pronto im Sand stecken, Ich bin viel zu zaghaft losgefahren. Herwärts hatte ich gestern noch den Schwung der halbwegs befestigten Piste gehabt. So ein Mist, ich will doch heute im Golf von Oman ein wenig herum plantschen! Ich laufe hoch zum Gehöft meiner Gastgeber. Die sind alle ausgeflogen. Nur eine asiatische Haushalthilfe ist da und die kann mir auch nicht helfen. Zurück am Auto versuche ich es erst mal mit dem Ausbuddeln der Räder. Immer rutscht wieder Sand nach. Dann packe ich ein paar Steine drunter.

Als ich gerade losfahren will, kommt ein Toyota Land Cruiser des Weges. Ein Omani und sein asiatischer Kuli sitzen drin. Der Araber steigt aus, buddelt mit mir zusammen noch ein wenig herum, setzt sich ins Auto und versucht es heraus zu fahren. Er bekommt es genauso wenig hin. Nach zwei weiteren Versuchen zückt er zwei Streichhölzer. Wie lassen auf den vorderen Rädern die Luft etwas ab. Aber auch damit gelingt die Befreiung meines Autos nicht. Der Mann verspricht in 10 min mit Hilfe zurück zu kommen. Ich buddele weiter, versuche es selbst noch einmal. In der Ferne fährt ein Pick-up vorbei, aber es ist nicht Wasur. Hier haben sie scheinbar alle die gleichen Toyota Pick-ups in Braun mit Verzierung. Ich sehe jetzt schon den vierten dieses Typs vorbeifahren. Dieser kommt aber herangeprescht, ein Araber steigt aus, von dem ich denke, dass ich ihn kenne. Der kam oft im TV. Bis sie ihn erschossen haben. Der Mann vor mir könnte mit Leichtigkeit jeden Osama bin Laden – Look-a-like-Wettbewerb gewinnen. Er lächelt, holt ein Seil hervor und gemeinsam befestigen wir es am Heck meines Autos.

Wenig später stehe ich wieder auf der Piste, danke dem guten Mann auf das Herzlichste und fahre zurück. Und oh Wunder, alles, was der Reiseführer beschrieb, findet sich bei Tage an: das wehrhafte Steinhaus eines hier in der Gegend einflussreichen Scheichs und gleich danach das beschriebene kleine Fort. Zehn Minuten später bin ich an der Tankstelle oben am Wüsten-Highway. Natürlich geht die Luftpumpe der Tankstelle nicht. Die Zapfsäulenbedienung schickt mich auf die gegenüber liegende Straßenseite. Hier gibt es eine kleine Reifenwerkstatt. Nach 10 Minuten kommt der Fachmann, ein Inder aus Kerala. Er findet auf Anhieb die Luftdrucktabelle an meinem nagelneuen KIA-Modell und prüft gleich noch die Hinterräder. Die 120 km bis Sur, welches am Golf von Oman liegt, fahre ich durch. Diese Stadt war einmal berühmt für ihre Dhau-Werften. In einer Bucht sehe ich zwei herum dümpeln. Die Stadt ist nichts Besonderes. 

Ich drehe wenig später ab in Richtung Muscat auf die Küstenautobahn. Ich möchte nach Ash Shab. Das hatte mir Schamal empfohlen. Allerdings ist der Himmel wolkenverhangen, es regnet immer wieder mal und die See ist ziemlich rau. Ich befürchte, da fliegt mir mein Zelt weg. In Ash Shab angekommen, finde ich nur den Zugang zum Wadi, der direkt unter der Autobahnbrücke liegt. Mit kleinen Motorbooten kann man sich da für 40 Cent übersetzten lassen und in den Wadi hineinwandern. Das hat er bestimmt nicht gemeint. Ich finde die Bucht aber nicht und es regnet schon wieder.

Ich stelle auch fest, dass heute ja schon Sonntag ist und ich da eigentlich in Muscat sein wollte, um die restlichen knapp zwei Tage die Hauptstadt und ihr Umfeld zu erkunden. Ich buche auf halber Strecke ein Hotel in Muscat via booking.com. Das gewählte Hotel bekomme ich dann auch noch für zwei Nächte zum Preis von einer Nacht. Das klingt gut, es liegt draußen in Ruwi, einem Ortsteil von Muscat. Ich finde es bloß nicht. Weder auf der Karte, noch in der NaviApp. Ich weiß nur den Viertelnamen, das Navi kann damit nichts anfangen. Ich frage mich durch, meist gerate ich an Inder. Da die aber immer helfen wollen, sagen sie dann auch meist irgendwas, nur um sich nicht die Blöße zu geben, das sie keinen blassen Schimmer von der Lage des Hotels haben. 

Also schickt mich der eine dahin, der andere voller Überzeugung in die Gegenrichtung. Irgendwann habe ich die Nase voll. Ich rufe das Hotel an, der Rezeptionist kann mir aber auch nicht helfen, weil er mit meiner Positionsangabe nichts anzufangen weiß. Ich mache jetzt Jagd auf frei herumlaufende Taxifahrer. Ich überzeuge einen, mich dahin zu lotsen. Er schafft es aber auch nicht, fragt zweimal bei mir nach. Schließlich rufe ich das Hotel erneut an und gebe dem Taxifahrer mein Smartphone. Der lässt sich instruieren, weiß jetzt wo es lang gehen muss. Nach 7 Minuten stehen wir endlich am Hotel! Fast 2,5 Stunden hat mich das gekostet. Aber so lernt man die Muscat’sche Rushhour und den Fahrstil der verschiedenen Nationalitäten kennen. Ich dachte zeitweise, das Auto wird doch noch verbeult. Todmüde checke ich ein und falle ins Bett.


Einfach nur wunderschön.

Lawrence? ;)

Dead Chicken...
 

Der Sandmann...

WüstenCamp

Die Sonne, die sich nicht traut...



Das leere TouristenCamp...


Wasur

KIA-Sandfräse


Sur

Sur


Wadi Ash Shab

Wadi Ash Shab




Der (weibliche) Widerstand von Wadi Ash Shab ?

Samstag, 21. Dezember 2013: Wie ich im Wadi Bani Khalid einen interessanten irakischen Backpacker traf und nachts bei einer Beduinenfamilie in der Wahiba-Wüste landete…

In diesen Breitengraden, wo es vor 10 Uhr am kühlsten ist, da würde ich diese Zeit auch für notwendige Arbeiten nutzen. ABER NICHT UM 7 UHR MIT EINEM PRESSLUFTHAMMER!  Beschwerden helfen nichts, aber extrem gezippte Ohropaxe in meinen Ohren. Zumindest ein wenig. Gerade heute wollte ich etwas länger schlafen. Zudem fehlt mir auch der rechte Antrieb aufzustehen. Ich habe vor Fernreisen NIE einen festen Plan, was ich im Reiseland machen oder sehen will. Maximal weiß ich grob über ein paar interessante Landstriche, Sehenswürdigkeiten, Flüsse oder mögliche kleine Miniabenteuer Bescheid. Konkret war das für den Oman eigentlich nur der Wadi Bani Khalid, an dessen Ausgang eine Oase mit immer vorhandenem Wasser und ein paar Naturpools liegt und der Tiermarkt in Nizwa. Also heute auf in diese Oase! Dachte ich mir und checkte langsam und behäbig aus dem kleinen Presslufthammer-Motel in Ibra aus. Da ich zum Frühstück nicht schon wieder Indisch essen wollte, suche ich mir einen WüstenKonsum und kaufe mir eine leckere Mango, zwei Bananen, ein paar Cookies und einen Liter Milch. Irgendwie ist der Oman genau wie ich voll auf dem Mango-Trip: Man bekommt hier eher Mango- als Orangensaft. Langsam droht aber der Mango-Overkill.

Bis zum Wadi sind es knapp 85 km. Irgendwo in der Einöde steht eine Tankstelle, zwei Coffee-Shops, zwei ATM, ein Schneider- und ein Barbierladen. Im Coffee-Shop lasse ich mir einen großen Pappbecher voll Kaffee brauen, denn ich bin immer noch müde. Wie überall im Lande scheinen Asiaten die ganze Arbeit zu erledigen. Meist Inder, Pakistani und sehr viele Leute aus Bangladesch. Hier hat sogar der einfache Wadi-Berg-Bewohner einen eigenen asiatischen Kuli für die schwere Arbeit. Ich denke das Land würde zusammenbrechen, wenn die Asiaten mal einen Aufstand für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen machen würden. Von der Wertschätzung der Einheimischen ganz abgesehen. Ich habe oft erlebt, wie sie z.B. im Hotelgewerbe asiatische Arbeitnehmer zusammengefaltet wurden, obwohl sie die Arbeit meist besser beherrschten, als ihre omanischen Chefs, die vermutlich wie in Abu Dhabi oder Dubai manchmal nur für wenige Stunden anwesend sind. In dieser Einöde hier, vor dem Coffee-Shop meinen schwarzen Sud schlürfend, sehe ich gerade einen Omani in einem älteren Lexus vorfahren. Er steigt nicht etwa aus, wie die zwei Omanis vorhin. Nein, er hupt laut, bis die indische Bedienung zu ihm herauskommt und er seine Bestellung aufgibt. Leute gibt’s hier…

Ich steige in meinen koreanischen Straßenkreuzer ein und fahre nonstop die restlichen 600, nein 60 km durch. Um in das Wadi Bani Khalid zu kommen, muss man erst ein Stück in die Berge. Gottseidank gibt es hier eine Asphaltstraße, also keine Gefahr für mein Gefährt. Ich fahre bis zum Parkplatz vor dem Wadi. Einen richtigen Zugang gibt es nicht, man läuft am besten auf den Einfassungen eines Wasserkanals, der vom Wadi zum Dorf führt oder daneben. Heute ist auch noch Wochenende, also Einiges los. Arabische Familien und asiatische Gastarbeiter sind zahlreich vertreten, vereinzelt auch ein paar westliche Touristen. Alles in allem etwa so 60-70 Besucher. Im größten Naturpool gleich am Eingang hat man auf zwei Felsblöcken Unterstände gebaut, links gibt es ein kleines Restaurant. 

Das hier ist also schon ziemlich touristisch. Ich gehe auf die linke Seite, klettere einen Felsen herunter und lege meinen Fotoapparat in eine Felsspalte, gehe koscher mit Badehose und T-Shirt eine Runde im grünlichen Wasser mit Unmengen von kleinen Fischen zusammen schwimmen. Das Wasser ist sehr warm, ich hätte mit mehr Erfrischung gerechnet. Eine Brücke aus Eisen zwischen beiden Seiten des Pools bzw. Kanals muss einer der letzten Regenzeiten zum Opfer gefallen sein, wenn das Wasser brachial aus den Bergen den Wadi herunter donnert. Sie liegt wie von Riesenhand gefaltet an einer Seite des Kanals. Ich möchte in den Wadi ein Stück hinein wandern. Also zurück zum Auto, ein paar Sachen holen. Ich gehe dieses Mal rechts durch die Palmenhaine direkt auf einem dort verlaufenden anderen Bewässerungskanal, der an einigen einfachen Steinhäusern vorbeiführt. Ab und an ist der Kanal auf einer Seite unterbrochen, mit einem Stein verstopft. Damit werden dann vermutlich die überall herumstehenden Palmen gewässert.

In Höhe des Parkplatzes suche ich mir einen Weg durch die Palmen. Im Auto sitzend trinke ich einen Orangensaft auf Ex. Plötzlich tauchen drei kleine etwas verwahrloste Jungs vor der offenen Fahrertür auf und sagen Hallo. Keine Forderung. Sie sehen aber meinen kleinen geöffneten Kühlschrank (Handschuhfach) und die Getränke da drin. Ok, dann bekommen sie eben die „gesunde“ Segnung des Westens ab – meine einzige Pepsi. Hoffentlich vergiften sie sich nicht daran. ;) Der Größere von ihnen schnappt sich die Büchse, ich mache aber noch klar, dass sie sich die Ami-Limonade teilen sollen. Das machen sie auch gleich: es werden zwei gebrauchte Flaschen aus dem herumliegenden Abfall gegriffen und brüderlich umgefüllt. 

Die drei gehören zu den Müllsammlern, die die Oase um die besuchten Pools sauber halten sollen. Sie fahren mit kleinen Schubkarren durch die Gegend, in die sie dann den in Plastiktüten gesammelten Müll der Besucher ablegen und ins Dorf karren. Vermutlich eine gute Idee, ich hoffe nur es lohnt sich und sie müssen nicht den ganzen Tag schuften, können die Schule besuchen. Einige benutzen die Schubkarren auch als Pausen“sessel“. Zwei alte kleine Männer sah ich vorhin mit ihnen losziehen. Dem Kleinsten der drei Jungs vor mir läuft pausenlos die Nase. Ich spendiere ein Tempo-Taschentuch. Die Drei ziehen weiter, schauen neugierig in andere geparkte und verschlossene Autos hinein. Ein größerer arabischer Junge verjagt sie laut schreiend. Zu mir sagt er, das wäre „crazy boys“. Fand ich jetzt nicht.

Ich breche wieder auf in den Wadi. Die Sonne brennt jetzt so richtig schön heiß. Die oberen Naturpools sind zwar kleiner, aber mit einem Miniwasserfall in der Nähe auch schöner. Nur so besonders weit schwimmen kann man in ihnen nicht. Irgendwo weiter hinten soll es eine Höhle geben. Die Felswände links und rechts werden immer höher, die Besucher dafür immer weniger. Da fällt mir unterhalb meines Felsens ein verwegener Typ auf: er sieht aus wie eine Mischung aus Backpacker und „Mudschahedin“, auf jeden Fall sehr arabisch und er hat Ausstrahlung. Da ich meine Kamera in meinen Händen halte, dreht er sich um und sagt laut: „No photos!“ das hatte ich auch nicht unbedingt vor.

Nach einiger Zeit hole ich ihn ein, frage ob ich ihm behilflich sein kann, seinen Rucksack über den Bach zu wuchten, da er Schuhe trägt und ich Sandalen an habe. Nachdem wir das zusammen bewerkstelligt haben, stellen wir fest, dass wir auf einer Insel hocken. Wir stellen uns vor. Er ist wie ich aus Deutschland, kommt aber aus dem Irak und ist Kurde. Zudem ist er auch noch Künstler und schon einen Monat hier im Oman unterwegs. Wie mir gefällt ihm das Land ausnehmend gut, er ist allerdings auf öffentliche Verkehrsmittel oder Trampen angewiesen. Dafür kann er arabisch. Heute will er weiter hinten im Wadi übernachten. Ich finde ihn sehr sympathisch und unser mindestens eine Stunde währendes Gespräch hinten vor der kleinen unbeschilderten Höhle ist sehr erbaulich. Wir diskutieren über alles Mögliche, also Politik, Religion, Deutschland, Kunst und über das Menschsein und was es eigentlich ausmachen sollte. Schamal (sein Künstlername) wäre sicher eine richtig gute und angenehme Reisebegleitung für ein Stück des Weges durch den Oman für mich gewesen. Ich hätte ihn auch mitgenommen, aber er wollte hier im Wadi bleiben und ich abends die Wahiba-Wüste erreichen, um dort in einem Camp zu übernachten. Da er kaum noch omanisches Bargeld hat, gebe ich ihm meine letzten 25 OMR und er mir die entsprechenden Euros dafür. Ich komme ja sehr viel einfacher an einen ATM mit dem Auto heran, als er. Schamal ist die Sorte Mensch, die ich auf meinen Reisen gern kennenlernen möchte. Wir verabschieden uns und jeder zieht in eine andere Richtung des Wadis davon.

Nun wird es aber Zeit für mich, „ab in die Wüste“ zu fahren, wie es der Titel meines Blogs verheißt. Allerdings ist der ganze Oman eine Wüste, entweder aus Stein oder Sand. ;) Unterbrochen wird er von den Oasen, also den Städten und Dörfern. Eigentlich wollte ich in der Höhe von Al Qabil mir ein Wüsten-Camp suchen, das hieße aber wieder Richtung Ibra zurück zu fahren. Ich versuche es vorher in Al Mintirib. Da soll es 20 km auf einer Piste in die Wüste gehen und zwei Camps geben. Die kleine Stadt begrüßt mich mit geschäftigen Treiben vor und in den mit Neonreklame beleuchteten kleinen Geschäften, die meist Asiaten betreiben. Nach der Beschreibung des Reiseführers soll es ein wehrhaftes Steinhaus eines hier in der Gegend einflussreichen Scheichs geben und dahinter kommt ein kleines Fort. Dann links daran vorbei und irgendwo wenig später auf die Piste. All das finde ich nicht. Ich verfahre mich in der Dunkelheit, treffe auf keine hilfreichen Schilder und wenn sind die nur in Arabisch. Meine NaviApp befragen bringt in solchen Gegenden gleich garnichts, da schweigt es vornehm. Plötzlich stehen drei arabische Jungs vor meinem Auto, wollen, dass ich die Scheibe herunterkurbele. Mache ich nicht, sitze gerade über der Landkarte und dem Navi und habe keine Lust auf 0815-Konversation. Da reißt einer der Jungs, ein dicker arabischer Klops meine Tür auf und erzählt mir im aggressiven Unterton was vom Kamel.

Das kann ich auch. Ich werde etwas laut und fahre sie polternd auf Deutsch an. Dann mache ich noch zwei Ausfallschritte auf sie zu und sie rennen. Klappt fast immer, altes Rezept aus Reisezeiten in Mali. Meinem Ziel bin ich aber immer noch nicht näher. Ich cruise weiter durch den Ort, komme in ein anderes Dorf, lande in einer Sackgasse. Hinter mir stoppt ein Pickup. Ein Einheimischer fragt, ob ich was zum Schlafen suche. Er könne mir das bieten, nur 5 km von hier, bei sich zuhause. Er hat ein Camp. Ok, so etwas suche ich. Ich folge ihm. Wir fahren in die Wüste raus, biegen dann von der Schotterpiste ab in den Sand. Über 5 m Sand schaffe ich es noch, dann bleibt der Pickup dort auf einem festen Sandstück stehen, der Beduine steigt aus und sagt, ich solle in seinem Pickup umsteigen und mir die Unterkunft ansehen. Ok, ich weiß, das der Oman ein sehr sicheres Land ist, ich habe zur Not Pfefferspray und ein Walter-Messer dabei. Aber das ist sicher alles nicht notwendig. ;) In den Pickup kann ich leider nicht einsteigen, da sitzt des Beduinen Frau und Kind. Also hinten drauf auf die Ladefläche. Im Stehen am Dach mich festhaltend geht es mit viel Schwung die Düne hinauf (Film-reif), dann noch ein wenig weiter und wir bleiben vor dem Gehöft der Familie stehen. Hier gibt es sogar Strom, ein paar Hütten mit Palmenblättern verkleidet und abgedeckt, eine offene Küche, zwei Steinhäuser und eine kleine gemauerte Moschee. Der Beduine heißt Wasur, seine Frau Ningieh (wenn ich das richtig wiedergebe). Sie haben sieben Kinder – vier Jungen und drei Mädchen.

Schlafen soll ich in einem wohl für Gäste wie mich gemachten Unterstand, der etwa 10 x 4 Meter groß ist, ein Holzskelett besitzt und nach drei Seiten und von oben mit Palmenblättern verkleidet ist. Ausgelegt ist alles mit Teppichen, an den Wänden die typischen Kissen für den Rücken, wenn man auf dem Boden sitzt. Eine Seite ist offen, zumindest ein Drittel davon. Es stehen auch noch zwei alte Couches herum. Hier soll ich also schlafen. Ich nehme dann doch lieber meine bewährte Decke und meine Luftmatratze. Dazu fährt mich der größte Sohn sehr geschickt die Düne herunter zu meinem Auto und zurück. Ich lobe seine Fahrkünste. Wieder im Lager bekomme ich arabischen Kaffee und Datteln von Ningieh, der Frau des Hauses, äh der Zelte, des Gehöftes. Es ist schon dunkel. Wasur zündet vor meiner Unterkunft ein Feuer an, wir setzen uns in den Sand und versuchen uns in Konversation, was in Englisch halbwegs geht und trinken arabischen Kaffee und Tee. Jetzt kommen auch die restlichen Kinder, die der Vater mit dem Pickup aus Al Mintirib geholt hat.

Aiche (18) ist die Älteste, will Sprachen studieren und in die Tourismusbranche gehen. Verheiratet ist sie auch schon, sonst gibt es keinen Mann, also einen Freund haben wie bei uns ist nicht. Klar, wir sind hier in einem muslimischen Land, das dennoch fortschrittlich ist. Ihr Freund arbeitet in den Emiraten. Fatma, die Kleinste, vielleicht 3 Jahre ist total süß und ein ziemlicher Draufgänger (ärgert immer ihre Brüder). Der Name der dritten Tochter ist mir entfallen. Die Jungs heißen Mansur, Abdul, Sale und Mohamed. Sale ist der Kleinste, der größte ist vielleicht so 14 Jahre alt. Der Vater und zwei Kinder husten öfters. Wasur sagt, das wäre der Sand. Sale, der Kleinste, ärgert ebenfalls seine großen Brüder gerne, sie schmeißen ihn dann dafür auch öfters spielerisch in den Sand.


Mein Abendessen besteht aus: Fladenbrot aus dem Wüstenkonsum, 2 Eiern, Datteln, Joghurt und Tee. Ich schätze das alles wird wieder eine durchschlagende Wirkung haben. Gegen 10 Uhr ist Bettruhe, die Familie verschwindet in den verschiedenen Hütten. Man hört noch eine Zeitlang die Kinder reden, singen oder kichern. Ich höre danach eine ganze Zeitlang Mücken um mich herum sirren und frohlocken. Gegen Mitternacht wird mir das zu viel. Ich brauche mein NoBite-Mückenspray! Ich will die Familie nicht wecken, verlasse das Lager. Das Auto kann ja nicht so weit weg stehen. Die ungefähre Richtung denke ich zu wissen, laufe aber prompt in die Falsche davon. Nach einiger Zeit wird mir klar, dass ich mich verlaufen werde, ein Sandsturm mich begraben wird und die Beduinen sich Löffel aus meinen Gebeinen schnitzen werden, wenn sie mich Jahre später finden. J Ich kehre um, das Lager finde ich bestimmt wieder. Kurz davor probiere ich noch eine Wagenspur im Schein meiner Taschenlampe nach rechts aus – und finde weiter unten mein Auto! Schnell schnappe ich mir noch eine Literflasche Wasser und wanke diese halb austrinkend durch den tiefen Sand zurück ins Lager. Ich sprühe mich extrem großzügig mit dem Deet-haltigen Spray ein. Das Zeug stammt aus dem Vietnamkrieg und hat auch die aggressivsten Mücken in Westafrika vertrieben. Es übernimmt diesen Job auch hier zuverlässig und ich schlafe quasi unter freiem Himmel und in einer sternenklaren Nacht stichfrei ein. 
































Freitag, 20. Dezember 2013: Arabien pur auf dem Tiermarkt in Nizwa, der grüne Berg und die …vermutlich letzte Nacht im Zelt…

Ich schaffe es doch tatsächlich, 06:30 Uhr aufzustehen! Und dann sitze ich auch noch pünktlich 7 Uhr im kleinen Restaurant des Noor Majan Camps und bekomme von Andeet, der philippinischen Bedienung mit dem verschmitzten Lächeln, Berge von leckeren Frühstückszutaten aufgetragen. Woher weiß er, dass ich auf englisches Frühstück stehe? 07:35 Uhr, ich liege gut in der Zeit, brauche bis Nizwa ca. 10 min, wenn die Straßen in die Stadt nicht von den An- und Verkäufern des Tiermarktes, ihren Angehörigen oder den Stadtbewohnern verstopft sind. Ich komme gut bis ins Zentrum durch, der gestern komplett leere Parkplatz vor dem Fort ist maximal belegt mit großen Geländewagen, Pickups und Viehtransportern. Geschäftiges Treiben herrscht und Parkplätze sind Mangelware. Ich folge anderen Parkplatz-Suchenden in eine Sackgasse und rangiere mich da mühsam wieder heraus. Hier werde ich nichts finden, ich versuche mein Glück in den engen Gassen des Wohnviertels hinter dem Fort und gegenüber der Moschee und werde fündig. Gegen 8 Uhr erreiche ich das Rondell, in dessen Mitte die Kaufwilligen sitzen und um dessen äußeren Ring die Tiere an Stricken entlang gezerrt und vollmundig angeboten werden. Ganz außen stehen auch noch Lauf- und Schaulustige. Auch ein paar Touristen, die meist zu einer kleinen Gruppe gehören. Das hält sich aber in Grenzen, ich hatte angenommen, dass es mehr wären. Ein iPad-Knipser fällt mir auf. Schrecklich, das. Drei Deutsche werden von ihrem Guide instruiert: 20 min Fotografieren und dann Treffpunkt am Bus. Eine Holländerin quasselt einem Schaf das Ohr blutig, weil sie es in der richtigen Position fotografieren will.

Der Markt ist richtig im Gange. Ständig werden neue Tiere ins Rondell geschleppt und von ihren Besitzern angepriesen. Es entstehen lautstarke Dialoge, die Tiere werden geprüft und so manch einer der Herren holt sich das letztendliche OK für einen Kauf von seiner Frau aus der hintersten Reihe. Die verwaltet dann vermutlich auch das Geld. Ich bin eigentlich weniger scharf auf die Tiere, mehr auf ausdrucksstarke Gesichter. Erst fotografiere ich zaghaft, aus der Deckung. Da es aber niemand stört, suche ich mir dann gezielt interessante Gesichter aus. Immer wenn jemand auf dem LCD wunderbar aussieht, dreht er sich vor dem Schuss um oder jemand läuft ins Bild. Aber das kennen ja alle Fotojäger, die nicht so auf gestellte Bilder, sondern direkt auf Schnappschüsse aus dem Alltagsleben stehen. Ein paar Aufnahmen gelingen trotzdem recht gut. Die Sonne steht entweder hinter den Motiven oder diese stehen im Schatten. However, ein Gesicht hat mir ganz besonders gefallen – ein Mann so um die 40 herum mit seinem Sohn, den er vielleicht das erste Mal mit auf den Markt nimmt. Dieser Mann hat eine enorme Ausstrahlung, er könnte gut und gerne einen Kalifen aus den 1001 Märchen abgeben. Ich sehe viele junge und alte Omanis, alle sehr stolz und erhaben. Die traditionelle Kleidung scheint durchweg getragen zu werden – von Jung und Alt. Das scheint auch ein Statussymbol zu sein – wir sind die Herren des Landes, Ihr die Gastarbeiter. Ich habe bisher nur Gastarbeiter in westlicher Kleidung gesehen.

Nebenan auf dem Vogelmarkt werden Singvögel und vereinzelt Papageien angeboten. Auf einem anderen Platz habe ich viele Omanis mit alten Flinten gesehen. Einige werden auch verkauft und gelegentlich Probeschüsse in die Luft abgegeben. Heute las ich von einer Stadt namens Ibra, in die ich heute Abend noch fahren will, die aus zwei Stadtteilen besteht. Den einen bewohnt der Stamm der Al-Maskri und den anderen der Stamm der Al-Harthi. Beide waren spinnefeind, beschossen sich noch bis 1977 gegenseitig mit ihren Gewehren. Heute soll das kein Thema mehr sein.

Gegen neun Uhr hört der Viehmarkt langsam auf, so wie es der weise Reiseführer von ReiseKnowHow beschrieben hat. Es wird zu heiß für Mensch und Tiere, mein Timing war recht gut, auch wenn ich noch eine Stunde eher hier hätte sein können. Ich beschließe dem Jebel Akhdar, dem „grünen Berg“ noch einen Besuch abzustatten. Der Jebel Akhdar ist ein Gebirgszug des Hajar-Gebirges und war lange Zeit total isoliert. Man kam da nur zu Fuß oder mit dem Esel hin. Der Berg ist sehr fruchtbar, da es dort oft regnet und sein Kalkgestein den Regen besser speichern kann. Irgendwann baute das Militär eine Straße da hoch bis in 3000 m Höhe. Die ist bestens in Schuss und man bräuchte dafür keinen Geländewagen, trotzdem ist es Vorschrift. Ich teste es aus und werde von dem Militärposten freundlich aber bestimmt zurückgeschickt. Ich fahre zurück nach Birkat al-Mauz, wo mich Masud, ein junger Mann mit einem Riesen-V8-LandCruiser abfängt. Er sagt er wäre Polizist und heute ist sein freier Tag, da hilft er gern Touristen, die keine Allrad-Blechkiste haben, um auf den Berg zu kommen. Natürlich für Geld. Ich überlege kurz, willige ein, denn ich möchte da hoch, das Saiq-Plateau auf dem Jebel Akhdar sehen. Am Militärposten werden Masuds Papiere gecheckt und notiert. Für mich reicht nur die Auskunft, dass ich aus Deutschland komme.

Es geht sofort steil nach oben, die Serpentinen schiebt sich der LandCruiser mit viel Kraft nach oben. Ziemlich weit unten gibt es kurze Auffangstraßen mit finalem Stopper, falls mal jemand die Bremsen durchgehen. Viel schwieriger als den Großglockner hochfahren ist das hier aber auch nicht. Auch oben ist es kein Problem, das hätte der KIA alles locker geschafft. Ich bin genauso ratlos wie mein Reiseführer: warum ist hier ein Geländewagen Pflicht? Masud fragt mehrmals, ob seine arabische Musik für mich ok ist und ob er mal eben schnell im nächsten Dorf beten kann. Vor einer Moschee, die komplett mit diversen Geländewagen zugeparkt ist, stehen schon die Gläubigen, die nicht in die Moschee mehr passten im Hof. Masud reiht sich ein. Ich bleibe draußen, vor dem Berg von Sandalen und Schuhen und frage mich gerade, wie da jeder sein Paar wieder finden will.

Masud fährt mich anschließend an diverse Aussichtspunkte. Einen davon kenne ich aus meinem Reiseführer – den grünen Berg oder besser Felsvorsprung mit seinen Terrassen, der im April wohl am besten aussehen soll. Links davon liegt ein bewohntes Dorf in einer riesigen Schlucht. Das schreit wieder nach einem nervösen Auslöser-Finger. Am Ende einer Straße kann man in den Wadi Bani Habib absteigen. Dort sieht man an den gegenüberliegenden Hängen zwei verfallene und verlassene Dörfer. Man kann hinunter und an ein paar Walnussbäumen vorbeilaufen, bis zu den Ruinen. Masud empfiehlt mir das, denn er ist schon seit unserer Ankunft auf dem Plateau ständig am Chatten mit seiner Freundin. Ich würde ja gern, aber das sehr gute Abendessen oder Frühstück aus dem Noor Majan Camp schlägt durch. Ich frage nach der nächsten Toilette. Masud versteht das nicht, kann auch nur sehr wenig Englisch und nur das, was für seinen Nebenjob taugt. Er ist auch gerade ganz wild am Chatten. Ich laufe zum Parkplatz und entdecke doch tatsächlich ein WC. Natürlich das arabische Modell, wo man nur im Stehen sich entleeren und mit dem immer danebenhängenden Raab-Kärcher-Wasserschlauch den Allerwertesten blank wasserstrahlen kann. Ich möchte nun nicht weiter mit fäkalen Details langweilen, nur so viel: der vorbereitete Reisende hat immer mind. 2 Packungen Tempo-Taschentücher dabei. J Jetzt fühle ich mich in der Lage, den Abstieg in den Wadi in Angriff zu nehmen.

Hier am Aussichtspunkt sind auch einige indische und pakistanische Gastarbeiter, die heute, am heiligen Freitag sich einen Ausflug gönnen. Das tun sie aber sehr lautstark, schreien sich ihre aktuellen Positionen durch das Tal zu. Drei davon treffe ich weiter unten, wie sie sich gerade gegenseitig vor einem Walnussbaum, der weder Blätter noch Nüsse trägt, ablichten. Wie so oft frage ich, ob ich beim Fotografieren behilflich sein kann, was sie gern annehmen. Unten im fast trockenen Flussbett sieht man die Reste eines typisch omanischen Wasserkanals, links rinnt Wasser von den Felsen. Hier gefällt es mir gut. Meinen neuen pakistanischen „Freunden“ offenbar auch, denn sie schreien sich ihre Erbauung wortreich zu. Mich zieht es zu den Ruinen des alten Dorfes auf der anderen Seite. Leider habe ich nicht wie gestern meine Wanderstiefel angezogen und auch kein Wasser mit. Egal, ich muss da hoch in die Ruinen und die Teva-Sandalen sind halbwegs trittsicher. Einige der Häuser sind noch gut erhalten, andere verfallen und bei einigen droht der finale Einsturz. „Meine“ drei Pakistanis sind auch angekommen, setzen sich in alte Fensterrahmen hoch oben und lassen sich von unten fotografieren. Das finde ich ziemlich kreativ, solange das Gemäuer hält... ;) Einer von ihnen fragt, ab er mich fotografieren darf. Er ist jung, trägt eine Brille und ist sehr höflich. Ich sage ja, aber nur wenn ich ihn auch fotografieren darf. Letztes Jahr in Indien wollte man mich auch immer fotografieren. Ich halte mich nun absolut nicht für fotogen, aber vielleicht ist das ja ein beliebter Sport bei Asiaten: Bleichgesichter-Fotos sammeln. Andererseits mache ich ja auch nichts Anderes, wenn ich in exotischen Landen unterwegs bin.

Ich krieche noch eine Weile in den Ruinen herum, so etwas fasziniert mich immer, da könnte ich tagelang bleiben, in irgendeinem alten verfallenen Haus übernachten, nachts am Feuer sitzen und in die Natur lauschen. Eine halbe Stunde wird noch gehen, denn Masud wird immer noch heftig chatten, da oben am Parkplatz. Irgendwann steige ich dann wieder auf, komme etwas fertig oben an. Masud unterhält sich mit einem Bekannten, der mich nach arabischer Sitte mit Handschlag begrüßt. Wir steigen ein, ich werde noch zu zwei Fotopoints gefahren und dann lenkt mein kleiner PoliceMan seinen gewaltigen LandCruiser chattend ins Tal hinab. Im Grunde mag ich so etwas absolut nicht, diese Abhaktouren. Allerdings hätte ich hier oben dann nichts gesehen, da ich definitiv nicht mit meinem PKW auf den Berg gelassen wurden wäre, was ich ja eingangs experimentell mir bestätigen lassen habe.

Die Entlohnung für die 3 Stunden ist vermutlich angemessener, als die neulich auf der Minitour zum Canyon des Jebel Shams, dennoch eine Hotelübernachtung wert. Aber für mich ist das ok. Komme ich hier noch einmal her, dann hole ich mir einen Geländewagen, egal was der kostet. Eben ist auch wieder der Gedanke aufgekommen, Jordanien demnächst einen Besuch abzustatten. Vielleicht sollte ich mich beeilen, bevor das Land ähnlich instabil wird wie Syrien, Lybien, Ägypten oder Tunesien. Die sogenannten arabischen Revolutionen haben bisher nirgends die Lage der Völker wesentlich oder dauerhaft verbessert. Doch zunächst überlege ich, wo ich heute noch hinfahren könnte. Ich beschließe in Richtung Sandwüste zu fahren, will es vor Einbruch der Dunkelheit noch bis Ibra schaffen und da entweder das Zelt aufschlagen oder in einem Motel übernachten.

13 km vor Ibra fahre ich rechts in die omanische Pampa auf einem Schotterweg ab. Nach 2 km finde ich eine Durchfahrt zur Ebene rechts daneben und „verstecke“ das halbe Auto hinter einem stacheligen Wüstenbusch. Die Entfernung zur Feldpiste erscheint mir noch zu gering, aber tiefer in das Gelände ist mit meinem KIA nicht ratsam, denn er würde aufsetzen. Ich baue das Zelt auf, laufe mit einer leckeren Mango rund um mein Lager, die dabei ihre Schale verliert und aufgegessen wird. Der Himmel ist wie immer sternenklar. Als der Mond sich zeigt, ist das Gelände wunderbar ausgeleuchtet. Irgendwo dahinten ist ein Dorf. Ein Pickup ist schon vorbeigefahren. Ich frage mich gerade, ob sein Lichtkegel meinen Lagerplatz erfasst, obwohl der so 80 m parallel liegt. Im Auto fange ich auf dem Netbook diesen Blogeintrag in meinem mobilen „Reiseschreibbüro“ auf dem Rücksitz an. Doch ich bin nicht allein im Auto. Irgendein Käfer setzt sich auf das Display des Smartphones. Kurz bevor ich ihn fangen will, fliegt er davon, verkriecht sich im Auto. Hoffentlich ist das ein friedliches Tierchen und hat keine Special Effects wie einige seiner Artgenossen in Westafrika drauf. Dann telefoniere ich noch mit einer lieben Person im fernen Deutschland, da ich noch einige Credits auf meiner omanischen SimCard habe. Nach dem Gespräch sehe ich draußen erneut einen Geländewagen vorbeifahren. Aber dieses Mal wird er langsamer, wendet, kommt auf mein kleines Lager zu. Verdammt, entdeckt.

Er schreit irgendwas in Arabisch, die Scheinwerfer auf mich gerichtet. Ich richte meine 600 Lumen – Taschenlampe auf den Fahrerplatz und will wissen, was er will. Er wendet seinen Truck, schreit etwas, was wie „Määääh“ klingt und verschwindet. Wenig später kommt ein dicker Land Cruiser ebenfalls auf mich zugefahren. Ich laufe zu ihm hin, nachdem ich ihn vorher auch mit der 600er Lampe angeleuchtet habe, was ihn vermutlich fast erblinden ließ. J Er erzählt mir etwas, ein paar Brocken in Englisch sind auch dabei. Ein Freund hätte ihn auf mich hingewiesen und warum ich nicht in einem Haus schlafe. Vermutlich sind beide nur besorgt oder neugierig gewesen. Ich denke aber, dass vielleicht noch mehr von ihnen kommen und ich dann nachts mich immer aus meinem Zelt für eine Lichtbegrüßung schälen müsste. Auch fällt mir wieder mein Alptraum von der zweiten Zeltübernachtung ein – aus Versehen von diesen fetten Geländewagen im Zelt überrollt zu werden. J However, ich übernachte lieber unentdeckt in meinem Zeltlein, packe dasselbe ein, suche vorsichtig die Durchfahrt zur Feldpiste und dann zur Hauptstraße nach Ibra. Nach 13 km komme ich dort an, suche das Ibra Motel auf, das hinter der OmanOil-Tankstelle in Richtung Muscat liegt. Das Motel ist einfach, aber voll ok. Nebenan gibt es auch leckeres omanisches Essen. N8.





Tiermarkt in Nizwa

"Mein" edler "Sultan"...


Den Opa aus der Milka-Werbung trifft man auch allerorten...


Auf dem 
Jebel Akhdar


Terassenfelder auf dem 
Jebel Akhdar

Wadi Bani Habib 


Meine pakistanischen Mitwanderer...


Das Ruinendorf im 
Wadi Bani Habib