Ein wenig haben die Bauarbeiten in den Bergen dann doch
noch gestört, aber nicht mehr wie eine summende Klimaanlage, eine Straße unterm
Fenster oder das Klappern von High Heels auf dem Hotelgang. Irgendwann schlief
ich dann, wurde kurz von einem Alptraum heimgesucht bzw. durchgeschüttelt. Mir
träumte sehr plastisch, mein Zelt würde aus Versehen von einem jener riesigen
Geländewagen überrollt. Das fühlte sich ziemlich endgültig im Traum an. Da ich
davon aufwachte, konnte ich mich davon überzeugen, dass keinerlei Profilornamente
meinen Körper zierten und es ansonsten draußen in der mondhellen Nacht sehr
ruhig zuging. Dafür nahm ich nun die Kälte wahr. Das waren maximal 13 Grad. Nur
mit einem T-Shirt und einer dünnen Hose bekleidet, am Fuße des Hadschar-Gebirges
liegend – die indische Flusendecke hatte echt viel zu tun, mich halbwegs warm
zu halten, denn ich hatte absolut keine Lust, aus dem Zelt in den Kofferraum
des Autos zu kriechen, um meine Thermo-Unterwäsche aus dem Kofferrucksack zu
fischen.
Die Gegend um meinen zweiten Undercover-Zeltplatz sah
weitaus besser als die Abraumhalte der ersten Zelt-Übernachtung bei Nakhl aus.
Mein HandyNavi hatte noch keine Lust qualifizierte Standortangaben zu machen,
aber ich denke ich bin nicht weit von Ibri entfernt. Dort gibt es nichts weiter
als einen alten Souq mit überwiegend Haushaltswaren und ein total zerbröseltes
Fort zu sehen. In die Nähe des Forts komme ich noch, aber der Souq liegt
irgendwo weit draußen versteckt. Ich muss mich zunächst um Frühstück kümmern.
Die CoffeeShops haben nur Kaffee, also ab in einen kleinen
indisch-pakistanisch-tamilischen Supermarkt. Da finde ich aber auch nichts
Brauchbares außer Milch und Orangensaft. Am Ortsausgang entdecke ich einen der
gut sortierten und riesigen Lulu-Supermärkte, ähnlich einem Carrefour-Supermarkt.
Ist Lulu auch eine französische Kette? Habe ich zumindest in Frankreich noch
nicht gesehen.
However, ein paar belegte Toastecken und frisches Obst
haben die auf jeden Fall. Viel ist in dem riesigen Markt noch nicht los. Aber
eine Schulklasse von arabischen Miniknirpsen zieht, jeder mit einem riesigen
rollbaren Plastikkorb, durch die Gänge und sucht irgendwas. Vermutlich hat die
vermummte Lehrerin eine Aufgabe gestellt: Kauft für 3 OMR das Wichtigste, um
einen Tag überleben zu können. Oder so. Auf jeden Fall waren die kleinen Zwerge
total süß, wie sie so mit ihren Körben, die halb so groß wie sie selbst waren
kichernd durch die Gänge huschten.
Während ich mein Frühstück vor einer schicken Moschee mit
dem dazugehörigen vom Iman gelieferten Soundtrack verspeise, überlege ich, wo
ich heute hinziehen könnte. Irgendwie muss ich mich in Richtung Nizwa bewegen,
da ist am Freitag der große und berühmte Viehmarkt. Durch die Berge und Wadis
da langsam hin zu mäandern scheitert erneut am fehlenden 4-Rad-Antrieb und der
Höhe meines Gefährtes. Ich entscheide mich für Bat und die Gräber von Al-Ayn.
In Al-Diriz verfahre ich mich aufgrund fehlender Ausschilderung. Dafür komme
ich an diversen Villen vorbei. Die Omanis, die es sich leisten können, bauen
sich manchmal kleine Schlösser oder auch einfachere Villen. NIE sieht ein Haus
einem anderen gleich. Sie sind sehr individuell, manchmal schrecklich kitschig,
manchmal unglaublich elegant und schön anzusehen.
Dass ich in Bat bin, merke ich erst, als es mir ein
junger Mann mit einem großen weißen Auto sagt. Als er mich mit der Karte in der
Hand im Auto sitzend sah, hielt er an und fragte, ob er helfen könne. Das ist
mir jetzt schon öfters passiert, die Omanis sind sehr hilfsbereit, grüßen auch
einfach mal so, den Ausländer. Er bietet an, mich aus dem Gewirr der
einbahnigen kleinen Wege durch die Palmenhaine der Oase Bat bis zur richtigen
Kreuzung ins Schlepptau zu nehmen, also er fährt voran, ich folge ihm. Dabei
sehe ich, dass Bat auch mal ein Fort hatte. An ein paar Bröselruinen desselben fahre
ich langsam vorbei. Ich möchte nicht schuld daran sein, wenn es ganz einstürzt.
;) Als die Piste zur Ausgrabungsstrecke anfängt, verabschiedet sich mein junger
NaviHelfer. Nach einem Kilometer sehe ich das abgezäunte Grabungsgelände und
wenige Meter weiter einen Steinhaufen, der wohl mal einer der 10 m hohen und 15
m breiten Türme gewesen sein muss, die hier herumstanden. Wissenschaftler
wissen nur, das sie aus dem 3. Jahrtausend vor Chr. stammen, aber nichts über ihre
Bedeutung. Ein paar Leute arbeiten an dem Steinhaufen, stützen die noch
vorhandenen Reste mit Gerüsten ab.
Ich könnte jetzt die 14 km lange Piste weiterfahren oder
die betonierte Straße bis Al-Ayn suchen. Da die Piste aber momentan
einigermaßen eben ist, fahre ich sie weiter. Wenigstens einmal OFFROAD fahren.
;) Die Entscheidung war keine so gute, denn nach 3 km scheppert der erste Stein
an den Unterboden. Von nun an fahre ich sehr vorsichtig und konzentriert,
steige sogar ein paar Mal aus und räume größere Steine weg. Entschädigt werde
ich durch eine grandiose Felslandschaft und ein paar frei herum tollende
Kamele. Autos bekomme ich nicht zu Gesicht. Allerdings komme ich nicht
sonderlich schnell vorwärts und die Strecke scheint nicht enden zu wollen. Aber
immerhin läuft in Sichtweite eine kleine Stromleitung mit. Wo die hinführt,
könnte es auch wieder eine feste Straße geben. Gibt es dann auch. Im kleinen
Örtchen, das keinen Namen zu haben scheint, versenke ich mein Hinterrad bei
einem Wendemanöver auf kleinstem Raum ansatzweise in einem Wasserkanal,
zumindest rutschte es in denselben ab, das Auto lag aber aufgrund eines sofortigen
Tritts auf das Gaspedal nicht auf. Als ich zwei Omanis das Bild der Gräber von
Al-Ayn zeige, zeigen die mir zumindest die richtige Richtung.
Im Dorf Al-Ayn
selbst halte ich an, denke von da zu den Gräbern zu kommen.
Aber stattdessen durchstreife ich nur ein sehr ärmliches
Dorf mit laut schreienden Kinder, die „Engländer, Engländer!“ wie von der
Tarantel gestochen schreien. Einige Mütter pfeifen die Kinder rein, die Türen
werden verschlossen. Andere Kinder wirbeln mit ihren kleinen Füßen den Dreck
vor mir auf, ich nehme daher meine Kamera unter das T-Shirt. Ok, das hier ist
nicht der richtige Weg. Ich umfahre das halb verfallene Dorf und da plötzlich
sehe ich sie. Genau wie auf dem Bild im Reiseführer. Jetzt nur noch zwischen
ein paar umzäunten Feldern durchschlendern, das trockene Flussbett eines Wadi
durchlaufen und einen mittleren Hügel hochklettern. Da stehen sie vor mir, die
21 Bienenkorbgräber von Al-Ayn und im Hintergrund das gewaltige Massiv des
Jebel Misht. Ein wunderbarer Anblick! Da hat sich doch der halbe Tag meiner
Anfahrtsversuche gelohnt. ;) Nur ich und 300 Meter links von mir 8 Ziegen – das
sind die einzigen Besucher hier. Die Gräber sind immerhin 5000 Jahre alt und
alle nach Osten gerichtet. 18 davon haben noch ihre ursprüngliche Gestalt. Da
ich neben Pilot und Seemann auch Experimentalarchäologe werden wollte,
fasziniert mich so etwas immer wieder. Ich versuche mir die Menschen
vorzustellen, die das aufgeschichtet haben bzw. darin bestattet wurden. Hätten
sie Facebook sabotiert? ;)
Etwa 30 Bilder weiter und eine halbe Stunde später steige
ich vom Hügel hinunter und versuche auf dem schnellsten Weg Bahla zu erreichen.
Dort habe ich mir ein Hotel heute früh via Booking.com aus dem Zelt heraus
gebucht. Interessant, was man für 30 OMR bekommen kann – eine schäbige Bude in
Rustaq oder dieses schicke Appartment-Hotel. Ich verfahre mich wieder, aber das
ist auch nicht so schlimm, ich kann 4 Serpentinen in die Berge fahren. In einem
Dorf schaue ich auf die Karte, habe erste Zweifel, ob ich den letzten
Streckenabschnitt bis Bahla durchkomme, denn der ist als Piste eingezeichnet.
Zwei alte bärtige Männer nähern sich meinem Auto, ich versuche ihnen per Karte
und Handzeichen verständlich zu machen, wo ich hinwill. Einer von ihnen schüttelt
mit dem Kopf, bedeutet mir per Handzeichen, das ich dazu Allradantrieb brauche,
mit dem Auto komme ich nicht durch, das Wasser würde auch zu hoch stehen. Ok.
Schukran. Ich drehe um und erreiche irgendwann durch wunderbare Felslandschaften
fahrend gegen 17:30 Uhr Bahla, dessen gewaltiges Lehmfort ich morgen Vormittag
unbedingt besuchen möchte.
Das Hotel ist mehr als in Ordnung, ich bekomme sogar die
deluxe – Suite. Der Hotelier empfiehlt mir auf Nachfrage ein jemenitisches
Restaurant einen Kilometer die Straße herunter. Nach Jemen wollte ich ja schon
immer mal, geht aber gerade nicht so richtig. Dann wenigstens kulinarisch. Ich
finde das Restaurant sogar auf Anhieb. Es ist sehr einfach, macht aber einen
soliden Eindruck. Die Gäste hocken wie im Oman üblich auf dem Boden, auf
Teppichen mit Kissen an der Wand für den Rücken. Ich setze mich an den einzigen
Tisch, da es auf dem Fußboden sehr voll ist. Ein riesiger Pakistani setzt sich
zu mir. Da die Karte komplett in Arabisch ist, hilft er ein wenig beim
Übersetzen. Ich möchte etwas Typisches aus dem Jemen. Ich verstehe zwar nicht
was er sagt, aber ich sage erst mal JA zu seiner Empfehlung. Der Pakistani
arbeitet hier seit 14 Jahren im Malergeschäft und kommt hier jeden Abend zum
Essen her, muss also gut sein. ;)
Mein Gericht besteht aus einer scharfen klaren Brühe als
Vorsuppe, gefolgt von einem Fladenbrot in Milchstraßenform, einer leckeren und
scharfen Fleischpaste und einem Gemüseteller, der so aussieht, als ob jemand
das Zeugs eben aus dem Garten gerupft, gesäubert und unter großer Zeitnot auf
einen Teller geschmissen hat. Aber alles schmeckt wunderbar und mein von mir
liegen gelassener Oman-Reiseführer wird mir bis zum Auto nachgetragen. Ich bin’s
zufrieden und ziehe mich ins Hotel zurück. N8.
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