Dienstag, 17. Dezember 2013: Auf der Suche nach den uralten Gräbern von Al-Ayn …

Ein wenig haben die Bauarbeiten in den Bergen dann doch noch gestört, aber nicht mehr wie eine summende Klimaanlage, eine Straße unterm Fenster oder das Klappern von High Heels auf dem Hotelgang. Irgendwann schlief ich dann, wurde kurz von einem Alptraum heimgesucht bzw. durchgeschüttelt. Mir träumte sehr plastisch, mein Zelt würde aus Versehen von einem jener riesigen Geländewagen überrollt. Das fühlte sich ziemlich endgültig im Traum an. Da ich davon aufwachte, konnte ich mich davon überzeugen, dass keinerlei Profilornamente meinen Körper zierten und es ansonsten draußen in der mondhellen Nacht sehr ruhig zuging. Dafür nahm ich nun die Kälte wahr. Das waren maximal 13 Grad. Nur mit einem T-Shirt und einer dünnen Hose bekleidet, am Fuße des Hadschar-Gebirges liegend – die indische Flusendecke hatte echt viel zu tun, mich halbwegs warm zu halten, denn ich hatte absolut keine Lust, aus dem Zelt in den Kofferraum des Autos zu kriechen, um meine Thermo-Unterwäsche aus dem Kofferrucksack zu fischen. 

Die Gegend um meinen zweiten Undercover-Zeltplatz sah weitaus besser als die Abraumhalte der ersten Zelt-Übernachtung bei Nakhl aus. Mein HandyNavi hatte noch keine Lust qualifizierte Standortangaben zu machen, aber ich denke ich bin nicht weit von Ibri entfernt. Dort gibt es nichts weiter als einen alten Souq mit überwiegend Haushaltswaren und ein total zerbröseltes Fort zu sehen. In die Nähe des Forts komme ich noch, aber der Souq liegt irgendwo weit draußen versteckt. Ich muss mich zunächst um Frühstück kümmern. Die CoffeeShops haben nur Kaffee, also ab in einen kleinen indisch-pakistanisch-tamilischen Supermarkt. Da finde ich aber auch nichts Brauchbares außer Milch und Orangensaft. Am Ortsausgang entdecke ich einen der gut sortierten und riesigen Lulu-Supermärkte, ähnlich einem Carrefour-Supermarkt. Ist Lulu auch eine französische Kette? Habe ich zumindest in Frankreich noch nicht gesehen.
However, ein paar belegte Toastecken und frisches Obst haben die auf jeden Fall. Viel ist in dem riesigen Markt noch nicht los. Aber eine Schulklasse von arabischen Miniknirpsen zieht, jeder mit einem riesigen rollbaren Plastikkorb, durch die Gänge und sucht irgendwas. Vermutlich hat die vermummte Lehrerin eine Aufgabe gestellt: Kauft für 3 OMR das Wichtigste, um einen Tag überleben zu können. Oder so. Auf jeden Fall waren die kleinen Zwerge total süß, wie sie so mit ihren Körben, die halb so groß wie sie selbst waren kichernd durch die Gänge huschten.

Während ich mein Frühstück vor einer schicken Moschee mit dem dazugehörigen vom Iman gelieferten Soundtrack verspeise, überlege ich, wo ich heute hinziehen könnte. Irgendwie muss ich mich in Richtung Nizwa bewegen, da ist am Freitag der große und berühmte Viehmarkt. Durch die Berge und Wadis da langsam hin zu mäandern scheitert erneut am fehlenden 4-Rad-Antrieb und der Höhe meines Gefährtes. Ich entscheide mich für Bat und die Gräber von Al-Ayn. In Al-Diriz verfahre ich mich aufgrund fehlender Ausschilderung. Dafür komme ich an diversen Villen vorbei. Die Omanis, die es sich leisten können, bauen sich manchmal kleine Schlösser oder auch einfachere Villen. NIE sieht ein Haus einem anderen gleich. Sie sind sehr individuell, manchmal schrecklich kitschig, manchmal unglaublich elegant und schön anzusehen.

Dass ich in Bat bin, merke ich erst, als es mir ein junger Mann mit einem großen weißen Auto sagt. Als er mich mit der Karte in der Hand im Auto sitzend sah, hielt er an und fragte, ob er helfen könne. Das ist mir jetzt schon öfters passiert, die Omanis sind sehr hilfsbereit, grüßen auch einfach mal so, den Ausländer. Er bietet an, mich aus dem Gewirr der einbahnigen kleinen Wege durch die Palmenhaine der Oase Bat bis zur richtigen Kreuzung ins Schlepptau zu nehmen, also er fährt voran, ich folge ihm. Dabei sehe ich, dass Bat auch mal ein Fort hatte. An ein paar Bröselruinen desselben fahre ich langsam vorbei. Ich möchte nicht schuld daran sein, wenn es ganz einstürzt. ;) Als die Piste zur Ausgrabungsstrecke anfängt, verabschiedet sich mein junger NaviHelfer. Nach einem Kilometer sehe ich das abgezäunte Grabungsgelände und wenige Meter weiter einen Steinhaufen, der wohl mal einer der 10 m hohen und 15 m breiten Türme gewesen sein muss, die hier herumstanden. Wissenschaftler wissen nur, das sie aus dem 3. Jahrtausend vor Chr. stammen, aber nichts über ihre Bedeutung. Ein paar Leute arbeiten an dem Steinhaufen, stützen die noch vorhandenen Reste mit Gerüsten ab.

Ich könnte jetzt die 14 km lange Piste weiterfahren oder die betonierte Straße bis Al-Ayn suchen. Da die Piste aber momentan einigermaßen eben ist, fahre ich sie weiter. Wenigstens einmal OFFROAD fahren. ;) Die Entscheidung war keine so gute, denn nach 3 km scheppert der erste Stein an den Unterboden. Von nun an fahre ich sehr vorsichtig und konzentriert, steige sogar ein paar Mal aus und räume größere Steine weg. Entschädigt werde ich durch eine grandiose Felslandschaft und ein paar frei herum tollende Kamele. Autos bekomme ich nicht zu Gesicht. Allerdings komme ich nicht sonderlich schnell vorwärts und die Strecke scheint nicht enden zu wollen. Aber immerhin läuft in Sichtweite eine kleine Stromleitung mit. Wo die hinführt, könnte es auch wieder eine feste Straße geben. Gibt es dann auch. Im kleinen Örtchen, das keinen Namen zu haben scheint, versenke ich mein Hinterrad bei einem Wendemanöver auf kleinstem Raum ansatzweise in einem Wasserkanal, zumindest rutschte es in denselben ab, das Auto lag aber aufgrund eines sofortigen Tritts auf das Gaspedal nicht auf. Als ich zwei Omanis das Bild der Gräber von Al-Ayn zeige, zeigen die mir zumindest die richtige Richtung. 

Im Dorf Al-Ayn selbst halte ich an, denke von da zu den Gräbern zu kommen.
Aber stattdessen durchstreife ich nur ein sehr ärmliches Dorf mit laut schreienden Kinder, die „Engländer, Engländer!“ wie von der Tarantel gestochen schreien. Einige Mütter pfeifen die Kinder rein, die Türen werden verschlossen. Andere Kinder wirbeln mit ihren kleinen Füßen den Dreck vor mir auf, ich nehme daher meine Kamera unter das T-Shirt. Ok, das hier ist nicht der richtige Weg. Ich umfahre das halb verfallene Dorf und da plötzlich sehe ich sie. Genau wie auf dem Bild im Reiseführer. Jetzt nur noch zwischen ein paar umzäunten Feldern durchschlendern, das trockene Flussbett eines Wadi durchlaufen und einen mittleren Hügel hochklettern. Da stehen sie vor mir, die 21 Bienenkorbgräber von Al-Ayn und im Hintergrund das gewaltige Massiv des Jebel Misht. Ein wunderbarer Anblick! Da hat sich doch der halbe Tag meiner Anfahrtsversuche gelohnt. ;) Nur ich und 300 Meter links von mir 8 Ziegen – das sind die einzigen Besucher hier. Die Gräber sind immerhin 5000 Jahre alt und alle nach Osten gerichtet. 18 davon haben noch ihre ursprüngliche Gestalt. Da ich neben Pilot und Seemann auch Experimentalarchäologe werden wollte, fasziniert mich so etwas immer wieder. Ich versuche mir die Menschen vorzustellen, die das aufgeschichtet haben bzw. darin bestattet wurden. Hätten sie Facebook sabotiert? ;)

Etwa 30 Bilder weiter und eine halbe Stunde später steige ich vom Hügel hinunter und versuche auf dem schnellsten Weg Bahla zu erreichen. Dort habe ich mir ein Hotel heute früh via Booking.com aus dem Zelt heraus gebucht. Interessant, was man für 30 OMR bekommen kann – eine schäbige Bude in Rustaq oder dieses schicke Appartment-Hotel. Ich verfahre mich wieder, aber das ist auch nicht so schlimm, ich kann 4 Serpentinen in die Berge fahren. In einem Dorf schaue ich auf die Karte, habe erste Zweifel, ob ich den letzten Streckenabschnitt bis Bahla durchkomme, denn der ist als Piste eingezeichnet. Zwei alte bärtige Männer nähern sich meinem Auto, ich versuche ihnen per Karte und Handzeichen verständlich zu machen, wo ich hinwill. Einer von ihnen schüttelt mit dem Kopf, bedeutet mir per Handzeichen, das ich dazu Allradantrieb brauche, mit dem Auto komme ich nicht durch, das Wasser würde auch zu hoch stehen. Ok. Schukran. Ich drehe um und erreiche irgendwann durch wunderbare Felslandschaften fahrend gegen 17:30 Uhr Bahla, dessen gewaltiges Lehmfort ich morgen Vormittag unbedingt besuchen möchte.

Das Hotel ist mehr als in Ordnung, ich bekomme sogar die deluxe – Suite. Der Hotelier empfiehlt mir auf Nachfrage ein jemenitisches Restaurant einen Kilometer die Straße herunter. Nach Jemen wollte ich ja schon immer mal, geht aber gerade nicht so richtig. Dann wenigstens kulinarisch. Ich finde das Restaurant sogar auf Anhieb. Es ist sehr einfach, macht aber einen soliden Eindruck. Die Gäste hocken wie im Oman üblich auf dem Boden, auf Teppichen mit Kissen an der Wand für den Rücken. Ich setze mich an den einzigen Tisch, da es auf dem Fußboden sehr voll ist. Ein riesiger Pakistani setzt sich zu mir. Da die Karte komplett in Arabisch ist, hilft er ein wenig beim Übersetzen. Ich möchte etwas Typisches aus dem Jemen. Ich verstehe zwar nicht was er sagt, aber ich sage erst mal JA zu seiner Empfehlung. Der Pakistani arbeitet hier seit 14 Jahren im Malergeschäft und kommt hier jeden Abend zum Essen her, muss also gut sein. ;)

Mein Gericht besteht aus einer scharfen klaren Brühe als Vorsuppe, gefolgt von einem Fladenbrot in Milchstraßenform, einer leckeren und scharfen Fleischpaste und einem Gemüseteller, der so aussieht, als ob jemand das Zeugs eben aus dem Garten gerupft, gesäubert und unter großer Zeitnot auf einen Teller geschmissen hat. Aber alles schmeckt wunderbar und mein von mir liegen gelassener Oman-Reiseführer wird mir bis zum Auto nachgetragen. Ich bin’s zufrieden und ziehe mich ins Hotel zurück. N8.


Zweite Übernachtung im Zelt: Genau hier.



14 km - Offroad-Versuch





Die 5000 Jahre alten Bienenkorb-Gräber von Al-Ayn







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