Gegen 6 Uhr hört man die Beduinenkinder so, wie gestern
Abend: leise kichernd und singend. Gegen 6:40 Uhr fährt der Pickup sie in die
Schule. Früher gab es laut Wasur im ganzen Land nur EINE einzige Schule – in
Muscat. Das bedeutete für Kinder ganz im Süden theoretisch einen 1000 km langen
Schulweg. Heftig. Die Sonne will heute irgendwie nicht aufgehen. Ich verlasse
das Gehöft/Lager und versuche mich an der nächsten etwa 20 m hohen Düne. Das
ist jetzt nicht so einfach da hoch zu kommen. Vielleicht sollte ich die
Sandalen ausziehen. Hat der Lawrence auch gemacht. Oben angekommen versperrt
die nächste Düne den Blick auf die Wüste. Auch die erklimme ich noch. Und dann
noch eine und schließlich kann ich in die Ferne schauen – ein grandioser
Anblick! Leider ist gerade heute der Himmel verhangen, die Sonne steckt hinter
Wolken, will nicht über der Wüste erscheinen, scheinen. Nur ein paar Strahlen
dringen durch. Schade. Ich sitze im noch angenehm kalten Sand und warte und
warte und warte… Es ist verdammt ruhig, aber nicht völlig lautlos. Nach einiger
Zeit kreisen zwei Vögel über mir. Dabei krächzen sie sich was zu. Es sind
allerdings keine Geier. Und noch sehe ich sehr lebendig aus! Den Grund sehe ich
ein paar Meter weiter: ein totes Huhn. Vermutlich aus Wasurs Bestand. Seine
Tiere lagern etwas außerhalb seines Gehöfts. Die Familie hat auch 7 Dromedare.
Einen Ritt auf einem davon lehnte ich schon gestern ab, weil ich das für
albernen Touri-Mist halte. Zudem auch noch grottenlangweilig.
Ich mache ein paar Effekt-heischende Videoaufnahmen mit
FXGURU. Die Kulisse bietet sich einfach an. Erst lasse ich die drei Rentiere in
der Wüste tanzen, dann den Sandriesen aus dem Sand auftauchen und dann noch
eine Drohne was abwerfen und einen Hubschrauber abstürzen. Final erscheint ein
Atompilz in der Ferne. J Was
will man auch so lange machen, wenn die Sonne nicht zum Fotografieren heraus
kommen mag? Ja richtig, in sich gehen, alles auf sich OM-artig wirken lassen,
glücklich sein. Nebenbei kann ich aber trotzdem VideoClips rendern. J Irgendwann gebe ich auf, die
gelbe Sau kommt nicht heraus. Ich kehre zurück und bekomme genau dasselbe zu
essen wie gestern Abend. Den Kaffee heute jedoch nicht aus winzigen Schälchen,
sondern einer winzigen Tasse. Wasur sitzt neben mir, seine Frau vor mir. Sie
trägt so eine für den Oman typische Kopfverschleierung, die einer
venezianischen Maske ähnelt. Man sieht die Augen, dann darunter wieder Stoff
und dann am Mund wieder alles frei. Es gesellen sich noch die 2 großen Mädchen dazu.
Infolgedessen sind nur die 3 großen Jungs in der Schule. Die kleine Fatma klebt
sowieso immer an ihrer Mutter. Sele, der kleinste Junge kommt auch noch
zappelig dazu. Und alle schauen sie zu, wie ich mir das Fladenbrot mit Joghurt
bestreiche und in den Mund schiebe. Die Reste davon verfüttert Wasur an den
Zappel-Sele.
Wasur fragt, ob ich Lust hätte, mit ihm und seinem Pickup
eine Stunde lang durch die Dünen zu brettern. Natürlich nicht umsonst. Ich
überlege hin und her und irgendwann sage ich einfach mal: Yes, we do it. Dann
wird mir noch verschiedenes Kunsthandwerk angeboten, welches die Frauen des
Hauses angefertigt haben. Ich brauche aber weder Schlüsselanhänger, Handyhüllen
oder Miniteppiche und lehne dankend ab. Ich verabschiede mich von allen per
Handschlag, wünsche ihnen alles Gute. Wir transportieren erst meine Sachen zu
meinem Auto, das seltsamerweise noch aus dem Sand herausschaut, faktisch noch
so dasteht, wie gestern Nacht verlassen. Dann lässt Wasur Luft aus seinen
Reifen ab und es geht los. Erst einmal 20 m parallel zur Piste durch tiefen
Sand. Vorbei an den Dromedar-Gehegen des Nachbarn. Dann erreichen wir ein
richtiges Touristencamp. Es stellt sich heraus, dass es das ist, was ich letzte
Nacht gesucht hatte. Wir fahren die Düne hoch, steigen aus und kehren beim Statthalter
des Camps, einem sympathischen Mann um die 30 aus Bangladesch, ein. Wieder gibt
es Kaffee und Datteln. Das Lager scheint komplett leer zu sein. Der Verwalter
zeigt mir das Innenleben der schwarzen Zelte: meist stehen da Feldbetten mit
kunterbunten Decken bestückt herum. Das erinnert mich an die Ferienlager meiner
Kindheit, nur einen Tick exotischer, hier. Nach der kleinen Werbetour
verabschieden wir uns und fahren weiter.
Jetzt lenkt Wasur seinen Pickup langsam hoch in die
Dünen. Er ist ein verdammt geschickter Fahrer. Ich merke, dass man so etwas
unbedingt erst einmal trainieren muss. Hier in der Nähe gibt es auch ein Camp,
wo man das machen kann. Es macht Spaß über die Dünen zu surfen. Wenn man dann
oben steht, es fast senkrecht herunter geht, denkt man: „Ach Du Ginsterkatze!
Da runter?“ Wasur fragt beim ersten Mal, ob ich damit ein Problem habe. Ich
sage ich hätte eins, wenn er da jetzt nicht runter fährt, was gleichzeitig
bedeutet, dass ich ihm und seinen Fahrkünsten blind vertraue. Vier dieser
Kamikaze-Abwärts-Fahrten sind drin, dann sind wir wieder fast unten. Wieder
habe ich etwas zur Ernährung von Wasurs stattlicher Familie beigetragen, bereue
die einstündige Spritztour aber keineswegs.
Zurück an meinem Auto fragt er mich, ob ich die 10 Meter
bis zur Piste durch den tiefen Sand zurück schaffe. Da ich das gestern auch
selbst herwärts geschafft habe, sage ich: No Problem. Kaum ist Wasur über die
Düne verschwunden, bleibe ich pronto im Sand stecken, Ich bin viel zu zaghaft
losgefahren. Herwärts hatte ich gestern noch den Schwung der halbwegs
befestigten Piste gehabt. So ein Mist, ich will doch heute im Golf von Oman ein
wenig herum plantschen! Ich laufe hoch zum Gehöft meiner Gastgeber. Die sind
alle ausgeflogen. Nur eine asiatische Haushalthilfe ist da und die kann mir
auch nicht helfen. Zurück am Auto versuche ich es erst mal mit dem Ausbuddeln
der Räder. Immer rutscht wieder Sand nach. Dann packe ich ein paar Steine
drunter.
Als ich gerade losfahren will, kommt ein Toyota Land
Cruiser des Weges. Ein Omani und sein asiatischer Kuli sitzen drin. Der Araber
steigt aus, buddelt mit mir zusammen noch ein wenig herum, setzt sich ins Auto
und versucht es heraus zu fahren. Er bekommt es genauso wenig hin. Nach zwei
weiteren Versuchen zückt er zwei Streichhölzer. Wie lassen auf den vorderen
Rädern die Luft etwas ab. Aber auch damit gelingt die Befreiung meines Autos
nicht. Der Mann verspricht in 10 min mit Hilfe zurück zu kommen. Ich buddele
weiter, versuche es selbst noch einmal. In der Ferne fährt ein Pick-up vorbei,
aber es ist nicht Wasur. Hier haben sie scheinbar alle die gleichen Toyota
Pick-ups in Braun mit Verzierung. Ich sehe jetzt schon den vierten dieses Typs
vorbeifahren. Dieser kommt aber herangeprescht, ein Araber steigt aus, von dem
ich denke, dass ich ihn kenne. Der kam oft im TV. Bis sie ihn erschossen haben.
Der Mann vor mir könnte mit Leichtigkeit jeden Osama bin Laden –
Look-a-like-Wettbewerb gewinnen. Er lächelt, holt ein Seil hervor und gemeinsam
befestigen wir es am Heck meines Autos.
Wenig später stehe ich wieder auf der Piste, danke dem
guten Mann auf das Herzlichste und fahre zurück. Und oh Wunder, alles, was der
Reiseführer beschrieb, findet sich bei Tage an: das wehrhafte Steinhaus eines hier in der Gegend
einflussreichen Scheichs und gleich danach das beschriebene kleine Fort. Zehn
Minuten später bin ich an der Tankstelle oben am Wüsten-Highway.
Natürlich geht die Luftpumpe der Tankstelle nicht. Die Zapfsäulenbedienung
schickt mich auf die gegenüber liegende Straßenseite. Hier gibt es eine kleine
Reifenwerkstatt. Nach 10 Minuten kommt der Fachmann, ein Inder aus Kerala. Er
findet auf Anhieb die Luftdrucktabelle an meinem nagelneuen KIA-Modell und
prüft gleich noch die Hinterräder. Die 120 km bis Sur, welches am Golf von Oman
liegt, fahre ich durch. Diese Stadt war einmal berühmt für ihre Dhau-Werften.
In einer Bucht sehe ich zwei herum dümpeln. Die Stadt ist nichts Besonderes.
Ich drehe wenig später ab in Richtung Muscat auf die Küstenautobahn. Ich möchte
nach Ash Shab. Das hatte mir Schamal empfohlen. Allerdings ist der Himmel
wolkenverhangen, es regnet immer wieder mal und die See ist ziemlich rau. Ich
befürchte, da fliegt mir mein Zelt weg. In Ash Shab angekommen, finde ich nur
den Zugang zum Wadi, der direkt unter der Autobahnbrücke liegt. Mit kleinen
Motorbooten kann man sich da für 40 Cent übersetzten lassen und in den Wadi
hineinwandern. Das hat er bestimmt nicht gemeint. Ich finde die Bucht aber
nicht und es regnet schon wieder.
Also
schickt mich der eine dahin, der andere voller Überzeugung in die
Gegenrichtung. Irgendwann habe ich die Nase voll. Ich rufe das Hotel an, der
Rezeptionist kann mir aber auch nicht helfen, weil er mit meiner
Positionsangabe nichts anzufangen weiß. Ich mache jetzt Jagd auf frei
herumlaufende Taxifahrer. Ich überzeuge einen, mich dahin zu lotsen. Er schafft
es aber auch nicht, fragt zweimal bei mir nach. Schließlich rufe ich das Hotel
erneut an und gebe dem Taxifahrer mein Smartphone. Der lässt sich instruieren,
weiß jetzt wo es lang gehen muss. Nach 7 Minuten stehen wir endlich am Hotel!
Fast 2,5 Stunden hat mich das gekostet. Aber so lernt man die Muscat’sche
Rushhour und den Fahrstil der verschiedenen Nationalitäten kennen. Ich dachte
zeitweise, das Auto wird doch noch verbeult. Todmüde checke ich ein und falle
ins Bett.
Einfach nur wunderschön.
Lawrence? ;)
Dead Chicken...
Der Sandmann...
WüstenCamp
Die Sonne, die sich nicht traut...
Das leere TouristenCamp...
Wasur
KIA-Sandfräse
Sur
Sur
Wadi Ash Shab
Wadi Ash Shab
Der (weibliche) Widerstand von Wadi Ash Shab ?